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5.9.2011

notarielles Testament als Erbscheinsersatz?

Verstirbt der Erblasser, stehen die Erben häufig vor dem Problem, auf den Nachlass ohne Erbschein nicht zugreifen zu können. Dies erlangt besondere Brisanz für die Beerdigungskosten: oftmals reicht zwar der Guthabenstand, die Bank weigert sich allerdings, die Rechnungen zu bedienen. In vielen allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken ist zwischenzeitlich verankert, dass statt eines Erbscheins auch die Eröffnungsniederschrift mit beglaubigter Kopie der letztwilligen notariellen Verfügung anstelle eines Erbscheins zur Erbenlegitimation vorgelegt werden kann. Was passiert allerdings, wenn verschiedene notarielle letztwillige Verfügungen vorliegen und aus diesen nicht klar wird, wer letztendlich Erbe wird? Haftet die Bank, zahlt sie an den falschen aus?

Das OLG Frankfurt hatte sich am 10.06.2011 mit einem Fall zu beschäftigen, in dem ein Kreditinstitutzugriff auf ein Depot zu Gunsten einer Person gewährt hat, die später letztendlich nicht Erbe wurde. Der Erbe verklagte die Bank auf Schadensersatz mit der Begründung, das Kreditinstitut habe auf Basis widersprechender letztwilliger notarieller Verfügungen keinen Zugriff auf das Depot ermöglichen dürfen.

Die Forderung nach Schadensersatz wurde jedoch mit der Argumentation abgelehnt, dass das Kreditinstitut auf Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen berechtigt sein, den ihr erteilten Auftrag auf Auflösung des Depots auszuführen. Eine Bank verletze ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht, wenn sie sich auf einen notariell beurkundeter letztwillige Verpflichtung verlasse; dies auch dann nicht, wenn diese nicht absolut klar sein. Zwar sei die Bank grundsätzlich berechtigt, unter bestimmten Bedingungen einen Erbschein zu fordern. Eine Verpflichtung hierzu bestehe allerdings nicht. Vielmehr sei der Umfang der der Bank obliegenden Pflicht, die zum Beleg der Berechtigung vorgelegten Urkunden zu überprüfen, anhand des Einzelfalls zu bestimmen. Ergäbe sich kein zwingender Widerspruch, dürfe sich die Bank auf die vorgelegten Unterlagen verlassen. Gerade im Tagesgeschäft der Banken bestehe eine umfangreichere Prüfungspflicht im Sinne der Auslegung letztwilliger Verfügungen grundsätzlich nicht. Solange sich Widersprüchlichkeiten nicht aufdrängen, darf ausgeführt werden, ohne dass weitere Nachforschungen anzustellen sind.

Für die Praxis ist der vom OLG Frankfurt behandelte Fall sicherlich eher ungewöhnlich. Tatsächlich werden sich die Banken schon aus eigenen Haftungsgründen oftmals darauf zurückziehen, einen Erbschein zu fordern, soweit auch nur die leisesten Zweifel an der erbrechtlichen Lage bestehen. Rein faktisch bleibt oft mal nichts anderes, als mit hohen Kosten den Weg über das Nachlassgericht zu gehen.



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