Haften die gleichzeitig Beschenkten im Rahmen des § 2329 BGB als Gesamtschuldner oder nur quotenmäßig?
Haften die gleichzeitig Beschenkten im Rahmen des § 2329 BGB als Gesamtschuldner oder nur quotenmäßig entsprechend dem Wert der Geschenke?
Bisher nicht obergerichtlich entschieden ist die Frage, ob im Rahmen des § 2329 BGB bei gleichzeitiger schenkweiser Zuwendung die Beschenkten die Zwangsvollstreckung in das Geschenk als Gesamtschuldner in voller Höhe jeweils einzeln dulden müssen, oder ob lediglich die Duldung entsprechend der wertmäßigen Quote geschuldet ist.
Überraschend findet sich bei einem Blick in die einschlägige Kommentarliteratur regelmäßig die Rechtsansicht, dass die gleichzeitig Beschenkten nur quotenmäßig und nicht als Gesamtschuldner haften. Dabei zitierten sich die jeweiligen Autoren der Kommentare wechselseitig. Verfolgt man diese Zitate, so stellt man fest, dass diese Rechtsansicht bereits in den sechziger Jahren in den Kommentierungen zu finden war und von dort aus lediglich regelmäßig fortgeschrieben wurde.
In der Kommentarliteratur findet sich hierzu jedoch weder eine schlüssige Begründung, noch lässt sich diese Rechtsansicht durch aktuelle Rechtsprechung belegen.
Tatsächlich ist die vielfach dort geäußerten Rechtsansicht falsch.
§ 2329 BGB gewährt dem Beschenkten dann eine Begünstigung, wenn nach der Schenkung an ihn weitere Schenkungen des Erblassers erfolgt sind.
Sieht man sich die Regelung des § 2329 Abs.3 BGB genau an, so stellt man fest, dass gesetzlich eine Gesamtschuld für gleichzeitige Schenkungen geregelt ist. Zunächst setzt § 2329 Abs.3 BGB voraus, dass es mehrere Beschenkte gibt. Dies ist bei gleichzeitigen Schenkungen der Fall. Darüber hinaus setzt § 2329 Abs.3 BGB voraus, dass einer der Beschenkten „der früher Beschenkte“ ist. Für diesen Fall haftet er nur insoweit, als der später Beschenkte nicht verpflichtet ist.
Ein solcher Fall liegt gerade bei einer gleichzeitigen Schenkung nicht vor, da bei einer gleichzeitigen Schenkung kein früherer oder später Beschenkter feststellbar ist.
Für gleichzeitige Schenkungen und für den zuletzt Beschenkten enthält § 2329 Abs.3 BGB gerade keine begünstigende Regelung.
Es gilt daher die Regelung des § 2329 Abs.1 BGB ohne Einschränkungen. Danach ist der Beschenkte zur Duldung der Zwangsvollstreckung bis zur Höhe des Betrages der Pflichtteilsergänzung verpflichtet.
Sind sodann beide gleichzeitig Beschenkten in voller Höhe des Pflichtteilsergänzungsbetrages verpflichtet, so liegt gemäß § 421 BGB eine Gesamtschuld vor. Die Beschenkten sind zu einer Leistung in der Weise verpflichtet, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. Es liegt mithin ein typischer Fall der Regelung des § 421 BGB vor.
Auch wenn man vermuten würde, dass sich dieses Problem in der Rechtsprechung häufiger stellt, so ist eine einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung hierzu nicht auffindbar.
Eine wortgleiche Regelung wie in § 2329 Abs.3 BGB findet sich im Gesetz jedoch unter § 528 Abs.2 BGB. Anders als bei § 329 Abs.3 BGB ist zu § 528 Abs.2 BGB obergerichtliche Rechtsprechung ergangen.
Der BGH hat hierzu klargestellt, dass mehrere Beschenkte Gesamtschuldnerisch haften (BGH NJW 98, 537). Gleichzeitig Beschenkte haften nicht nur anteilig (BGH NJW 91, 1824).
Ein gleichzeitig Beschenkter kann allein in voller Höhe in Anspruch genommen werden (NJW – RR 93, 835).
Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig. Es ist kein Grund ersichtlich, warum entgegen der gesetzlichen Regelung des § 2329 BGB die gleichzeitig Beschenkten eine Begünstigung erfahren sollen. Die quotenmäßige Haftungsverteilung im Innenverhältnis schlägt nicht notwendig auf das Außenverhältnis durch.
Zu Vermeidung eines unbilligen Ergebnisses ordnet § 426 BGB einen den Haftungsteilen mehrer Schuldner entsprechenden internen Ausgleich an, der sich bei Fehlen sonstiger Verteilungsregelungen in Form einer gleichmäßigen Belastung aller Verpflichteten äußert. Entscheidend für die internen Haftungsanteile ist das Verhältnis des Werts der erhaltenen Geschenke zueinander (BGHZ 137, 76, 87).
Dieser zu § 528 Abs. 2 BGB vertretenen Ansicht ist auch im Rahmen von § 2329 Abs. 3 BGB zu folgen.
Ausschlaggebend hierfür sind die Interessen des Pflichtteilsergänzungsberechtigten und die erhöhte Praktikabilität der Gesamtschuldlösung gegenüber derjenigen der Anteilslösung. Die gleichrangige, nebeneinander stehende Haftung der gleichzeitig Beschenkten spricht gegen eine anteilige und für eine volle Haftung. Die Interessen der Beschenkten sind ausreichend gewahrt: Zum einen haftet jeder einzelne Beschenkte – bei ordnungsgemäßem Verhalten – bis maximal zur Höhe seiner noch vorhandenen Bereicherung und zum anderen hat der in Anspruch genommene Beschenkte Ausgleichsansprüche analog § 426 Abs. 1 BGB gegen die anderen Beschenkten. Diese Ausgleichsansprüche stehen unter dem Vorbehalt, dass der andere Beschenkte noch bereichert ist. Im Falle der Endreicherung erhöht sich der Anteile der weiteren Beschenkten. Dies ist im Rahmen des § 2329 BGB ebenso der Fall. Die hier vertretene Ansicht verschiebt nicht das Rückgriffsrisiko zu Lasten der Beschenkten, da ein Wegfall der Bereicherung bei einem Beschenkten auch nach herrschender Meinung zu § 2329 BGB zu einer erhöhten Haftung der anderen Beschenkten führt.
Sie begünstigt den Ergänzungsberechtigten nur insofern, als sie ihm das unter Umständen mühselige Vorgehen gegen mehrere Beschenkte abnimmt, so insbesondere die Ermittlung der Haftungsanteile. Die Bevorzugung des Pflichtteilsberechtigten rechtfertigt sich daraus, dass die Interessen aller gleichzeitig Beschenkten hinter denen des Ergänzungsberechtigten nach der Wertung des Gesetzes zurücktreten müssen.
Diese Wertung der Interessen des Pflichtteilsergänzungsberechtigten gegenüber den Beschenkten ergibt sich bereits aus der Ausgestaltung des Pflichtteils- und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, sowie der dazu durch den Bundesgerichtshof ergangenen Rechtsprechung zu Gunsten des Pflichtteilsberechtigten.
Der Bundesgerichtshof hat die Rechte des Pflichtteilsberechtigten, der ohnehin durch die Entziehung des Erbteils benachteiligt ist, immer hervorgehoben und gestärkt. Dies zeigt sich nicht nur im Hinblick auf die Ausgestaltung der Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche, sondern auch im Bezug auf die Ansprüche dem Grunde nach.
Die gesetzliche Wertung spricht daher auch insoweit dafür vorliegend von einer Gesamtschuld der gleichzeitig Beschenkten auszugehen.
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