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09.08.2015
Auslegung einer sog. Katastrophenklausel

Katastrophenklausel ist nicht zugleich Schlusserbeneinsetzung

Im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens hatte das OLG Jena über die Bedeutung und Auslegung einer sog. Katastrophenklausel zu entscheiden –OLG Jena, Beschl. v. 23.02.2015 – 6 W 516/14.

Aus der Ehe der Eheleute waren fünf Kinder hervorgegangen. Zur Klärung der Erbfolge hatten die Eheleute mit gemeinschaftlichen handschriftlichem Testament folgendes verfügt: „Hiermit setzen wir uns beide beim Tode eines Ehepartners gegenseitig zum Alleinerben ein. Im Falle unseres gemeinsamen Todes sollen unsere Kinder unsere Erben sein.”

Kurz nach dem Tod seiner Ehefrau errichtete der Ehemann ein neues Testament und setzte nur drei der fünf Kinder zu Erben je 1/3 ein. Die weiteren zwei Kinder enterbte der Ehemann.

Im Erbscheinsverfahren beantragten die im zweiten Testament bedachten Kinder einen sie als gemeinschaftliche Erben zu je 1/3 ausweisenden Erbschein. Dieser Erbscheinsantrag wurde vom Nachlassgericht zurückgewiesen. Das Nachlassgericht begründete dies damit, dass der Erblasser aufgrund des Ehegattentestaments die zwei weiteren Kinder nicht enterben durfte. Aufgrund der Bindungswirkung des Ehegattentestaments sei der Ehemann an die wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung aller fünf Kinder im Ehegattentestament gebunden gewesen

Die hiergegen eingelegte Beschwerde zum OLG Jena hatte Erfolg.

In seiner Begründung führte das OLG Jena aus, das Nachlassgericht habe das gemeinschaftliche Testament der Eheleute zu Unrecht dahin ausgelegt, dass eine wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung nach §§ 2269 Abs. 1, 2270 BGB zu Gunsten aller fünf Kinder getroffen wurde. Vielmehr sei die für den Fall „unseres gemeinsamen Todes” getroffene Bestimmung zur gemeinschaftlichen Erbfolge der Kinder dahin zu verstehen, dass sie nur für den Fall getroffen wurde, dass die Eheleute entweder zusammen, d.h. zeitgleich oder in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang versterben, dass dem kurzzeitig überlebenden Ehegatten praktisch keine Möglichkeit mehr bleibt, ein Testament zu errichten.

Ausgehend von der Überlegung, dass Ehegatten bei der Abfassung ihres Testaments eher nicht im engen Wort- und Rechtssinn denken, sondern die Formulierung „unseres gemeinsamen Todes“ auch für ähnliche Fallgestaltungen gebraucht wissen wollen, umfassen Klauseln wie „zeitgleicher” oder „gleichzeitiger” Tod in einem Ehegattentestament nach einhelliger Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (BayObLG Beschl. v. 30.09.1996 - 1Z BR 42/96 = NJW-RR 1997, 329; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.09.2011 – 10 U 410/11) i.d.R. auch solche Fälle, in denen die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander versterben und der Längerlebende zur neuerlichen Testamentserrichtung nicht mehr in der Lage ist. Versterben die Ehegatten demgegenüber in größerer zeitlicher Abfolge, so ist eine für den Fall „gemeinsamen” bzw. „gleichzeitigen” Versterbens getroffene Erbeinsetzung selten die Bedeutung einer Schlusserbfolge beizumessen. Zudem wurden im Testament weder die Kinder ausdrücklich als „Schlusserben” bezeichnet, noch haben die Ehegatten über einen gemeinschaftlichen Nachlass verfügt, zu dessen Entstehung es bei beider gemeinsamem Versterben gar nicht käme. Für ein seinerzeitiges Vorstellungsbild der Eheleute, mit dem Testament bereits die Vermögensnachfolge umfassend auch schon für die Erbfolge nach dem Längerlebenden zu regeln, gibt die Formulierung nichts her. Sie beschränkt sich darauf, die mit der ersten Passage des Ehegattentestaments erfolgte gegenseitige Erbeinsetzung ohne Schlusserbenbestimmung für den Fall eines gemeinsamen (zeitnahen) Versterbens dahin zu vervollständigen, dass nur auf diesen Fall beschränkt beide Eheleute jeweils von den Kindern beerbt werden

Weil es deshalb an einer Schlusserbeneinsetzung in dem Ehegattentestament fehlte, konnte der Erblasser 5 Monate nach dem Tod der von ihm allein beerbten Ehefrau über den in seiner Person vereinigten Ehegattennachlass frei verfügen und zwei der Kinder enterben.



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