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13.9.2015
Gemeinschaftliches Testament

Widerruf gegenüber geschäftsunfähigem Ehegatten

Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern ist zu Lebzeiten jederzeit möglich. Allerdings ist der Widerruf formbedüftig.

Es bedarf einer notariell beurkundeten Widerrufserklärung, die dem anderen Ehegatten in Urschrift oder Ausfertigung der notariellen Urkunde zugehen muss.

Die Geschäftsunfähigkeit des Widerrufadressenten hindert den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments nicht. Dieser ist grundsätzlich auch gegenüber einem geschäfts- und testierunfähigen Ehegatten oder Lebenspartner möglich.

 

Sachverhalt:

Das OLG Karlsruhe hatte sich in seinem Beschluss vom 09. Juni 2015, Az. 11WX12/15 mit folgender Problematik zu befassen.

Die Eheleute M und F haben sich in einem privatschriftlichen, gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahre 1987 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Einen Schlusserben haben die Eheleute in diesem Testament nicht bestimmt. Im Jahre 2009 ließ der Ehemann einen Widerruf dieses gemeinschaftlichen Testamentes beurkunden.

Anschließend errichtete der Ehemann ein neues notarielles Testament, in welchem die Ehefrau zur Vorerbin und ein Neffe der Ehefrau zum Nacherben berufen sind. Die Widerrufserklärung des Ehemannes wurde an den Betreuer der geschäftsunfähigen Ehefrau zugestellt.

 

Aufgabenbereich des Betreuers entscheidet

Voraussetzung für die Wirksamkeit des Widerrufes durch Zustellung der Widerrufserklärung an den Betreuer ist, dass die Entgegennahme der Widerrufserklärung vom Geschäftskreis des Betreuers umfasst ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn dem Betreuer durch das Betreuungsgericht der Aufgabenkreis „Vermögensangelegenheiten“ übertragen ist.

Im vorliegenden Fall war dem Betreuer im Beschluss des Betreuungsgerichtes „Postvollmacht einschließlich der Entgegennahme, des Öffnens und Anhaltens der Post“ übertragen.

Dieser Aufgabenbereich deckt die Entgegennahme der Widerrufserklärung nach Auffassung des OLG nicht ab. Hinzu führt das OLG aus, dass mit dem Begriff „Postvollmacht“ kein eigenständiger Aufgabenbereich beschrieben werde.

Die gesetzliche Regelung im § 1896 Abs. 4 BGB trage vielmehr dem durch das Grundgesetz in Art. 10 Abs. 1 geschützten Postgeheimnis Rechnung. Der Betreuer darf danach die Post des Betreuten nur dann eigenständig öffnen, wenn ihm hierzu die Befugnis ausdrücklich vom Gericht übertragen worden ist.

Allein die Befugnis zur Entgegennahme und zum Öffnen der Post umfasst nach Auffassung des OLG Karlsruhe nicht die Befugnis, Willenserklärungen aller Art mit Wirkung gegen den betroffenen Betreuten entgegenzunehmen.

 

Widerruf unwirksam, es gilt die ursprüngliche Verfügung

Der Ehemann hat mithin das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1987 nicht wirksam widerrufen. Der notariell beurkundete Widerruf scheitert an der nicht wirksam erfolgten Zustellung an den Betreuer.

Das hat zur Folge, dass die Verfügungen des Ehemannes in dem notariellen Testament aus dem Jahr 2009 unwirksam sind, weil die Rechte der Ehefrau aus dem privatschriftlichen Testament des Jahres 1987 beeinträchtigt werden. Statt Vollerbin sollte die Ehefrau nur noch Vorerbin werden.

 



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