Neue Regeln für Vermögensteilung unter Ehegatten auch in Erbfällen relevant
EU Güterrechtsverordnung (EU-GüVO) in Kraft getreten
Die europäische Idee hat es zurzeit nicht leicht, dabei ist die europäische Integration im Privaten längst Realität: Bereits 2007 hatte jede achte Ehe und jede achte Scheidung einen internationalen Bezug, z.B. weil die Ehepartner*innen unterschiedliche Nationalitäten haben. Und das bedeutet, dass geklärt sein muss, nach welcher nationalen Rechtsordnung sich das sog. Ehegüterrecht richtet, also die Frage, wem das Vermögen („die Güter“) gehört, das die Eheleute mit in die Ehe gebracht bzw. während der Ehe erworben haben, ob und wie bei Beendigung der Ehe ein Ausgleich zu schaffen ist und welche Modifizierungsmöglichkeiten für den Güterstand bestehen.
Europäischer Flickenteppich im Güterrecht: Wem gehört das Vermögen in der Ehe?
In Deutschland sieht das BGB als gesetzlichen Güterstand die Zugewinngemeinschaft vor, bei der nicht nur das vor der Ehe bestehende Vermögen getrennt bleibt, sondern auch das während der Ehe erworbene Vermögen nur einem Partner gehört, allerdings bei Beendigung der Ehe eine Ausgleichszahlung („Zugewinnausgleich“) verlangt werden kann. Ganz anders z.B. in Frankreich, wo das während der Ehe erworbene Vermögen gemeinsames Vermögen wird (sog. „Errungenschaftsgemeinschaft“). Aber welches Recht gilt dann, wenn eine Deutsche einen Griechen in Paris heiratet und dort mit ihm lebt? Nach welchem Gesichtspunkt (z.B. gemeinsame Nationalität, gemeinsamer Wohnort) wird die Geltung des nationalen Güterrechts entschieden (sog. Anknüpfung), nachdem für ein Ehepaar schlecht zwei unterschiedliche Güterrechtsordnungen gelten können?
EU Güterrechtsverordnung am 29.01.2019 in Kraft getreten
Hier hat die Ende Januar 2019 in Kraft getretene EU-Güterrechtsverordnung nun zumindest teilweise für Klarheit gesorgt, indem nun in immerhin 18 Ländern (alle Mitgliedsstaaten außer Großbritannien, Irland, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei und Ungarn) einheitliche Regeln gelten. Nach der Güterrechtsverodnung richtet sich das anwendbare Recht künftig in erster Linie danach, wo die Eheleute nach ihrer Eheschließung zuerst gemeinsam gewohnt haben. Nur wenn es einen solchen gemeinsamen Wohnort nicht gab, kommt es für die Anknüpfung auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit an und wenn es auch die nicht gibt, auf die engsten Beziehung zu einem Staat (Art. 26 EU-GüVO). In oben genanntem Beispiel würde also für die Deutsche und den Griechen französisches Ehegüterrecht gelten. Und das einmal geltende Ehegüterrecht ändert sich grundsätzlich nicht mehr, auch dann nicht, wenn das Ehepaar später in ein anderes Land zieht oder eine gemeinsame Staatsangehörigkeit annimmt. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Eheleute einvernehmlich einen nationalen Güterstand durch einen Ehevertrag wählen (Art. 22 U-GüVO) oder die besonderen Voraussetzungen für ein Änderungsverlangen nach Art. 26 Abs. 3 EU-GüVO vorliegen.
Güterstand auch im Erbfall von Bedeutung
Und was hat das alles mit Erbrecht zu tun? Immer noch die meisten Ehen enden nicht durch Scheidung, sondern durch den Tod. Und auch im Todesfall wird der Güterstand der Eheleute beendet und es fragt sich, wie sich ein etwaiger Güterausgleich zwischen den Ehegatten (bzw. dem überlebenden Ehepartner und den Erben des Verstorbenen) zu den testamentarischen Regelungen des Verstorbenen verhält. Hier hat die EU-GüVO zunächst einmal festgelegt, dass die Gerichte des Landes, die für das Erbrecht zuständig sind auch für die Klärung des Güterrechtsausgleich zwischen dem überlebenden Ehepartner und den Erben des Verstorbenen zuständig sind. Dabei müssen Sie allerdings nach den zuvor geschilderten Anknüpfungsregeln unter Umständen das Güterrecht eines anderen Landes beachten.
Grenzen der EU-Güterrechtsverordnung
Diese durchweg erfreulichen Vereinheitlichungen durch die EU-GüVO ändern allerdings nichts daran, dass es bei der Vielfalt unterschiedlicher Güterrechtsordnungen in Europa bleibt und dies insbesondere dann problematisch wird, wenn die anwendbare Güterrechtsordnung und die Erbrechtsordnung nicht zusammenpassen. Wenn z.B. unser deutsch-polnisches Pärchen seinen Lebensabend in Deutschland verbracht hat und daher das französische Güterrecht mit dem deutschen Erbrecht zusammentrifft. Und gerade das deutsche Erbrecht, in dem der Güterrechtsausgleich "automatisch" über die Erbquote erfolgt, passt selten zu ausländischen Güterrechtssystemen.
Expertentipp von Sebastian Höhmann, Fachanwalt für Erbrecht, Berlin
Die rechtlichen Komplikationen, die sich aus „internationalen Ehen“ ergeben, kann man in den Griff bekommen. Bei internationalen Ehe gilt: Prüfen Sie frühzeitig, welche Güterrechtsordnungen für Ihre Ehe in Betracht kommen und welche davon am besten zu Ihren Lebensumständen und Ihren Wünschen für Ihre Nachlassregelung passt. In einem zweiten Schritt ist zu klären, ob Sie auch hinsichtlich der anwendbaren Erbrechtsordnung ein Wahlrecht haben und welches hier die Vor- und Nachteile sind. Und schließlich ist sicherzustellen, dass Güterechtsordnung und Erbrechtsordnung dann auch zusammen passen, damit im Todesfall nicht Unklarheiten und Streit zwischen Ihrem Ehepartner und den (übrigen) Erben auftreten. Hier hilft ein Erbrechtsexperte, der mit den Fragen des internationalen Erb- und Ehegüterrechts vertraut ist und der auch die Einzelheiten der in Betracht kommenden nationalen Regelungen überprüfen (lassen) kann.
Nach dem Todesfall informiert Sie Ihr NDEEX Experte nicht nur über das Zusammenspiel von Güterrecht und Erbrecht, sondern vermittelt ggf. auch einen spezialisierten Rechtsanwalt vor Ort, falls eine Nachlassabwicklung und/oder Güterrechtsauseinandersetzung im Ausland nötig ist.
Sebastian Höhmann, Fachanwalt für Erbrecht, Berlin
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