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Beschränkungen des Pflichtteils: Möglichkeiten, Vorschriften und Fristen

Neben der Pflichtteilsentziehung und der Pflichtteilsunwürdigkeit mit "strafendem" Charakter gibt es noch die Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht (§ 2338 BGB) als Fürsorgemaßnahme.

Ziel ist es hierbei, das Familienvermögen vor der Gefahr eines Verlustes durch Verschwendungssucht oder Überschuldung zu bewahren. Das Vermögen wird vor dem Zugriff der Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten geschützt und dieser zugleich daran gehindert, das Erworbene zu verschwenden.

Das Wichtigste in Kürze
  • Die Beschränkung des Pflichtteils durch den Erblasser führt nicht zum Verlust des Pflichtteils beim Pflichtteilsberechtigten.
  • Die Beschränkung in guter Absicht soll sich im Rahmen des wohlverstandenen Interesses des Pflichtteilsberechtigten bewegen.
  • Eine Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht ist nur gegenüber Abkömmlingen zulässig.
  • Beschränkungsgrund ist die Gefährung seines späteren Erwerbs durch Verschwendung oder Überschuldung.
  • Der Beschränkungsgrund muss bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments und bei Eintritt des Erbfalls - immer noch oder erneut - bestehen.
  • Der Beschränkungsgrund muss im Testament/Erbvertrag konkret benannt werden!
  • Die Beschränkung erfolgt, indem der Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen die Abkömmlinge des Abkömmlings als Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer einsetzt oder eine Verwal­tungs­testa­ments­voll­stre­ckung anordnet. 

1. Welche Gründe gibt es für eine Beschränkung des Pflichtteils von Seiten des Erblassers?

Bei der Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht ist nur unter den in § 2338 BGB beschriebenen Voraussetzungen zulässig, nämlich ausschließlich und abschließend dann, wenn der spätere Erwerb gefährdet wird durch Verschwendung oder Überschuldung des Pflichtteilsberechtigten.

Dabei bedeutet Verschwendung, dass aufgrund der Lebensweise des Berechtigten davon auszugehen ist, dass dessen gesamte Einnahmen unmittelbar zweck- und nutzlos vergeudet werden. Durch die Verschwendung bringt oder setzt der Abkömmling sich oder seiner Familie der Gefahr einer Notlage aus.

Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Passiva die Aktiva übersteigen.

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Durch die Verschwendung oder Überschuldung muss eine Gefährdung des späteren Erwerbs bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Abkömmling das ihm zufließende Vermögen vergeudet oder Gläubiger dieses pfänden.

2. Welche Form- und Wirksamkeitsvoraussetzungen gibt es bei der Beschränkung des Pflichtteils?

Damit eine Beschränkung des Pflichtteils wirksam ist, 

  • muss die beschränkende Anordnung in einer privatschriftlichen oder notariellen Verfügung von Todes getroffen werden,
  • ist der Beschränkungsgrund in der Verfügung von Todes wegen konkret zu benennen und der Sachverhalt so präzise wie möglich niederzulegen,
  • muss der Beschränkungsgrund zur Zeit der Errichtung des Testaments oder Erbvertrags vorliegen und auch noch oder wieder beim Erbfall vorliegen,
  • kann als Beschränkung nur die Einsetzung der Abkömmlinge des Abkömmlings als Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer oder eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden.

Im Falle eines gemeinschaftlichen Testaments oder Erbvertrages kann die Pflichtteilsbeschränkung nicht wechselbezüglich oder vertragsmäßig bindend angeordnet werden,so dass der Erblasser nicht gehindert ist, durch eine spätere letztwillige Verfügung die nach § 2338 BGB zulässigen Anordnungen zu treffen.

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3. Welche Möglichkeiten der Beschränkung gibt es?

Der Erblasser kann nur die im Gesetz genannten Beschränkungen vornehmen. Er kann den Pflichtteil nicht kürzen, sondern die gesetzlichen Erben des Abkömmlings als Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer einsetzen und damit den pflichtteilsberechtigten Abkömmling nur zum Vorerben bzw. Vorvermächtnisnehmer bestimmen. Damit wird die Vorerbschaft vor dem Zugriff der Gläubiger des Abkömmlings geschützt. Erträge der Vorerbschaft können nur gepfändet werden, soweit sie pfändbar sind. Der Erblasser kann für die Lebenszeit des Abkömmlings eine Verwaltungstestamentsvollstreckung anordnen mit der Maßgabe, dass dann dem Abkömmling der Anspruch auf den jährlichen Reinertrag des Pflichtteils bleibt. Der Erblasser entzieht dem Pflichtteilsberechtigten damit die Verfügungsbefugnis und schließt dessen Gläubiger vom Zugriff auf das verwaltete Vermögen aus.

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4. Welche Möglichkeiten gibt es für den Erben, die Rechte des Pflichtteilsberechtigten zu beschränken?

Das Gesetz sieht zwei weitere Möglichkeiten vor, dem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil gegen seinen Willen vorzuenthalten: Die Pflichtteilsentziehung und die Geltendmachung der Pflichtteilsunwürdigkeit. Dabei handelt es sich um Maßnahmen mit Sanktions- und Zwangscharakter.

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5. Wann ist ein Entzug des Pflichtteils möglich?

In § 2333 BGB sind die ausschliießlichen Entziehungsgründe normiert.
„Entfremdung“ zum Erblasser oder „seelische Grausamkeit“ rechtfertigen die Entziehung des Pflichtteils nicht. So muss der Pflichtteilsberechtigte etwa

  • dem Erblasser, seinem Ehegatten, einem Abkömmling des Erblassers oder einer ihm sonst nahestehenden Person nach dem Leben trachten,
  • sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen diese Personen schuldig gemacht haben,
  • die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzen oder
  • wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt worden sein, so dass es für den Erblasser unzumutbar ist, den Pflichtteilsberechtigten am Nachlass teilhaben zu lassen.

Der Erblasser muss die Pflichtteilsentziehung durch letztwillige Verfügung anordnen (§ 2336 BGB). In dieser muss der Entziehungsgrund angegeben sein. Der Grund der Entziehung muss zur Zeit der Errichtung des Testamentes vorliegen.
Bei der Verurteilung zu einer Staftat, muss die Tat bei Errichtung der Verfügung begangen worden sein und die Unzumutbarkeit vorliegen. Beides muss im Testament angegeben werden!

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6. Wann kann ich als Erbe die Pflichtteilsunwürdigkeit geltend machen?

Pflichtteilsunwürdig nach ist §§ 2354, 2339 BGB, wer als Pflichtteilsberechtigter 

  • den Erblasser getötet, dies auch nur versucht oder die Testierunfähigkeit des Erblassers herbeigeführt hat,
  • den Erblasser von der Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen abgehalten,
  • den Erblasser durch Täuschung oder Drohung zur Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen bestimmt oder
  • eine Verfügung von Todes wegen des Erblasser verfälscht oder unterdrückt hat.

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7. Wie kann ich als Erbe die Pflichtteilsunwürdigkeit geltend machen?

Die Pflichtteilsunwürdigkeit kann erst nach dem Tod des Erblassers geltend gemacht werden und erfolgt durch formlose Anfechtungserklärung.

Dazu muss keine Anfechtungsklage erhoben werden. Die Anfechtbarkeit kann auch einredeweise geltend gemacht werden.

8. Welche Fristen gibt es für die Geltendmachung der Pflichtteilsunwürdigkeit?

Die Anfechtungsfrist beträgt ein Jahr und beginnt mit dem Zeitpunkt der Kenntnis vom Anfechtungsgrund, also den Umständen der Unwürdigkeit (§§ 2345, 2082 BGB).

Wurde der Pflichtteil bereits gezahlt, kann dieser nur zurückgefordert werden, wenn der Erbe innerhalb der Anfechtungsfrist die Anfechtung erklärt.
Wurde der Pflichtteil noch nicht gezahlt, kann der Erbe auch noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist die Pflichtteilsunwürdigkeit als Einrede geltend machen und die Zahlung des Pflichtteils verweigern.

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