Kein Haus trotz Vermächtnis ?!
Das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 09.01.2014 zu Az. 10 U 10/13) hatte jüngst folgenden Fall zu entscheiden:
Die 1920 und 1929 geborenen Eheleute, deren gemeinsame Kinder die Töchter T1 und T2 sind, errichteten im August 1990 angesichts des nahenden Todes des Ehemannes ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament:
„Unser gemeinsamer letzter Wille
Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Nach dem Tod des Überlebenden soll unser Haus im Wert von achtzigtausend Mark an unsere Tochter T2 gehen.“
Der Ehemann verstarb sodann knapp 3 Wochen später und seine Ehefrau wurde Alleinerbin. Daran bestanden keinerlei Zweifel. Zu Problemen kam es erst, nachdem die Ehefrau im Februar 2009 auch verstorben war. Dann nämlich wähnte sich T2 aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments als Alleinerbin und verlangte die Übertragung des Hauses.
Dieses Haus allerdings fiel gar nicht mehr in den Nachlass. Bereits 1993 hatte die Ehefrau nach einem Zerwürfnis mit T2 die nun in ihrem Alleineigentum stehende Immobilie ihrem Enkel, dem Sohn der T1, übertragen. Dies sei mit der eindeutigen Absicht geschehen, sie als spätere Erbin zu beeinträchtigen, behauptete T2.
Nach der Auffassung des OLG Hamm, das das erstinstanzliche Urteil bestätigte, besteht kein Übertragungsanspruch der T2 gegen ihren Neffen als Beschenktem. T2 sei nach der vom Gericht vorgenommenen Auslegung des laienhaft aufgesetzten Testamentes nicht Alleinerbin, sondern neben ihrer Schwester Miterbin und hinsichtlich des Hauses Vermächtnisnehmerin geworden. Als Vermächtnisnehmerin habe sie aber zunächst nur gegen die Erben ihrer Mutter (also gegen ihre Schwester) einen Anspruch auf Verschaffung des Vermächtnisgegenstandes. Erst wenn diese Geltendmachung erfolglos bliebe, könne T2 die Herausgabe vom beschenkten Neffen verlangen. Allerdings hatte T2 im Prozess nicht (ausreichend) vorgetragen, dass sie einen solchen Anspruch gegenüber ihrer Schwester geltend gemacht habe. Auch aus diesem Grund kam es aus Sicht des OLG Hamm nicht mehr darauf an, ob die testamentarische Vermächtnisanordnung der Bindungswirkung des Ehegattentestaments unterfiel und durch die Schenkung des Hauses ausgehöhlt worden war.
Mit dieser Entscheidung wird deutlich, wie wichtig es ist, sich bei der Gestaltung von Testamenten beraten zu lassen, damit es erst gar nicht zum Streit kommt. Wenn ein Erbprozess geführt werden muss, sollte ein im Erbrecht spezialisierter Anwalt hinzugezogen werden. Für diese beiden Aufgaben steht die Fachanwältin/ der Fachanwalt für Erbrecht zur Verfügung.
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