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01.10.2018
Vor- und Nacherbschaft | Teilungsversteigerung | Verkauf einer Immobilie

Kann ein nicht befreiter Vorerbe eine Immobilie gegen den Willen der Nacherben verkaufen?

AusgangslageTeilungsversteigerung

Häufig werden immer noch von Eheleuten gemeinsam Testamente errichtet, in denen sie sich gegenseitig zu Vorerben und die Kinder zu Nacherben einsetzen. Dies geschieht häufig unüberlegt, ohne vorherige Einholung fachlichen Rats. So werden die Konsequenzen der Vor- und Nacherbschaft oft nicht bedacht. Befreiungen werden vergessen, Erleichterungen für den überlebenden Ehegatten in Form von Hausrat oder Geldvermächtnissen nicht angeordnet.

In diesen Fällen ist der überlebende Ehegatte praktisch nur noch Verwalter des gesamten vom Erstverstorbenen hinterlassenen Vermögens. Er kann nur noch die Erträge aus dem ihm hinterlassenen Nachlass erzielen.

Zwar soll mit der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft das Vermögen für die Kinder erhalten bleiben, in der Regel ist es aber nicht gewollt, dass dies auf Kosten der Handlungsmöglichkeiten des überlebenden Elternteiles gehen soll.

Haben sich die Eheleute zu Lebzeiten eine Immobilie angeschafft und gehört sie ihnen jeweils zur Hälfte, so sieht es nach dem Erbfall bei der eben beschriebenen testamentarischen Gestaltung so aus, dass der überlebende Ehegatte hälftiger unbeschränkter Eigentümer bleibt und einen durch die Vor- und Nacherbschaft gebundenen Hälfteanteil zusätzlich erwirbt. Er ist dann zwar Alleineigentümer, jedoch mit verschiedenen rechtlich gestalteten Eigentumshälften.

Für den überlebenden Ehegatten bedeutet dies, dass er ohne Zustimmung der im Grundbuch eingetragenen Nacherben über den geerbten Anteil an der Immobilie nicht verfügen kann. Auch sein freier hälftiger Anteil ist nur theoretisch veräußerbar.

 

Teilungsversteigerung

Eine erste Durchbrechung der für den überlebenden Ehegatten misslichen Situation gab es im Jahr 2007 durch eine Entscheidung des BGH (ZEV 2005, 28). Hier hieß es, dass der überlebende Ehegatte über seinen nicht von der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft betroffenen Teil frei verfügen und notfalls eine Teilungsversteigerung durchführen kann. Obwohl der überlebende Ehegatte Alleineigentümer der Immobilie ist, zu einem Teil frei, zum anderen durch die Vor- und Nacherbschaft beschränkt, kann dieser Weg der zwangsweisen Auflösung dieser „Eigentümergemeinschaft“, bestehend aus einer Person, beschritten werden. Die Nacherben können dies nicht verhindern.

 

Verkauf

Erstmals gibt es nun obergerichtliche Rechtsprechung, dass mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Teilungsversteigerung im Hinblick auf den „freien“ Immobilienanteil der überlebende Ehegatte von den Nacherben die Zustimmung zum freihändigen Verkauf der gesamten Immobilie fordern kann. Das Oberlandesgericht Köln hat dies mit einer noch nicht veröffentlichten Entscheidung vom 18. September 2018 (OLG Köln 3 W 36/18) damit begründet, dass ein Verkauf der gesamten Immobilie eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 2120 BGB ist. Denn ein freihändiger Verkauf ist in der Regel wirtschaftlich günstiger als eine mit teilweise erheblichen Kosten verbundene zwangsweise Versteigerung. In diesem Fall müssen die Nacherben ihre Einwilligung zum Verkauf erteilen. Sie müssen dulden, dass in die Substanz des der Vor- und Nacherbschaft unterliegenden Nachlassvermögens eingegriffen wird. Sie müssen sich damit zufrieden geben, dass der Immobilienteil, der der Vor- und Nacherbschaft unterliegt, in Geld umgewandelt wird und sich die Nacherbenanwartschaft nur noch an diesem Geldvermögen fortsetzt. Dass die Kontrolle des Nacherben über die richtige Handhabung des Geldvermögens durch den Vorerben weitaus schwieriger ist als bei im Grundbuch eingetragenen Immobilien, versteht sich von selbst.

Das Oberlandesgericht Köln macht auch keinen Unterschied, ob der Vorerbe Geld benötigt oder nicht. Er braucht keine Gründe zu haben, die Immobilie verkaufen zu wollen. Denn diese benötigt er auch nicht bei der Einleitung der Teilungsversteigerung.

Eine Einschränkung macht das OLG allerdings bei der Kaufpreisfindung. Diese steht nicht im Belieben des Vorerben. Vielmehr hat er sich an dem von einem vereidigten Sachverständigen ermittelten Wert zu orientieren.

 

Tipp von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Klaus Becker aus Aachen

Wenn an die testamentarische Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft gedacht wird, sollte unbedingt zuvor fachlicher Rat eingeholt werden. Die Gestaltungsmöglichkeit mittels einer angeordneten Vor- und Nacherbschaft kann Sinn machen, oft jedoch nicht. Hierüber muss auf jeden Fall Klarheit geschaffen werden. Wenn sich herausstellt, dass die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft angezeigt ist, sollte die nähere Ausgestaltung einem Fachmann überlassen werden. Hier bietet der Erbrechtsexperte Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Klaus Becker mit seinem Team in seiner Aachener Kanzlei wertvolle Unterstützung an.



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