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18.5.2019
Erbschaft- und Schenkungsteuer

Abfindungszahlung nach beeinträchtigender Schenkung bei Schenkungsteuer abzugsfähig

Das Finanzgericht Münster (3 K 1237/17 Erb) hat mit Urteil vom 14.02.19 entschieden, dass die Abfindungszahlung, die ein [vom Vorerben] Beschenkter zur Abwendung eines Herausgabeanspruches wegen beeinträchtigender Schenkung leistet, als Nachlassverbindlichkeit im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von der schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden kann.

Die Finanzbehörde hat gegen diese Entscheidung Revision eingelegt (Az. BFH: II R 24/19).

Sachverhalt (stark verkürzt):

In einem Ehegattentestament hatten sich die Eltern gegenseitig zu Erben und ihre drei Söhne zu Erben des Letztversterbenden eingesetzt.
Nach dem Tod des Vaters schenkte die Mutter 2003 zwei Immobilien an zwei ihrer Söhne, was bei diesen Schenkungsteuer auslöste.
Nach dem Tod der Mutter im Jahre 2011 nahm der nicht bedachte Sohn seine Brüder auf anteilige Auflassung der übertragenen Immobilien an sich in Anspruch.

In der Berufungsinstanz wies das OLG darauf hin, dass je nach Auslegung des Testaments (Einheits- oder Trennungslösung) Ansprüche aus §§ 2113 Abs. 2, 816 Abs. 1 S. 2 BGB und/oder § 2287 BGB in Betracht kämen, die aber im konkreten Fall sämtlich nur auf Wertersatz gingen.
Der hiesige Kläger und sein nicht bedachter Bruder schlossen daraufhin im Mai 2015 einen Vergleich, infolge dessen der Kläger wegen der beeinträchtigenden Übertragung der Immobilie zur Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche eine Abfindungszahlung leistete.

Nach Zahlung der Abfindung beantragte der Kläger sodann beim Finanzamt, die Schenkungsteuerfestsetzung abzuändern und die Abfindung erwerbsmindernd zu berücksichtigen. Dies lehnte das Finanzamt ab. Der Einspruch blieb erfolglos, die hiergegen gerichtete Klage hatte hingegen Erfolg.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster, 3 K 1237/17 Erb:

Zwar sei die Schenkungsteuer nicht mit Wirkung für die Vergangenheit erloschen, da das Geschenk nicht i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wegen eines Rückforderungsanspruchs tatsächlich herausgegeben wurde und eine analoge Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für andere Abwendungszahlungen als die nach § 528 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Betracht komme.
Dennoch ergäbe sich eine steuermindernde Berücksichtigung der verglichenen Abfindungszahlung zur Abwendung des zivilrechtlichen Herausgabeanspruchs seines Bruders aus § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG, der nach § 1 Abs. 2 ErbStG auch für Schenkungen unter Lebenden gilt.

Problem: Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind nur Kosten abzugsfähig, die unmittelbar im Zusammenhang mit der "Erlangung" des Erwerbs entstehen. Die Abfindungszahlung ist hier aber zur "Erhaltung" des Erwerbs geleistet worden.

Der erkennende Senat hält die Regelung im vorliegenden Fall dennoch für anwendbar. Dabei lässt er offen – obwohl er offensichtlich dieser Ansicht zuneigt –, ob die Aufzählung in § 10 Abs. 5 ErbStG abschließenden Charakter habe oder auch erwerbserhaltende Aufwendungen berücksichtigungsfähig seien, und zieht dann zur weiteren Begründung eine

Parallelwertung zu BFH, Urt. v. 08.10.03, II R 46/01

(BFHE 204, 299; NJW 2004, 1198; ZEV 2004, 124).
In dieser Entscheidung hatte der BFH geurteilt, dass Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung des Herausgabeanspruchs eines Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2329 Abs. 2 BGB bei der Besteuerung der Schenkung erwerbsmindernd zu berücksichtigen seien.

Allerdings ergab sich diese Rechtsfolge aus § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG, der Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen ausdrücklich vorsieht.

Dies hat der 3. Senat des FG Münster gesehen und führt nun aus:

"Nach Auffassung des Senats sind die Ansprüche wegen beeinträchtigender Schenkung gemäß § 2287 Abs. 1 BGB und gemäß §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 2113 Abs. 2 BGB bei Verfügungen des Vorerben mit denen wegen beeinträchtigender Schenkung im Pflichtteilsrecht vergleichbar. Denn in allen Fällen wird über Vermögensgegenstände zu Lasten eines berechtigten Dritten verfügt, der deswegen gegenüber dem Verfügungsempfänger Herausgabeansprüche geltend machen kann.
Das rechtfertigt es aus Sicht des Senats, die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesfinanzhofs aus dem Urteil vom 08.10.2003 II R 46/01 auch auf diese Herausgabeansprüche und Zahlungen zu deren Abwendung anzuwenden. Dabei kann es keinen Unterschied machen, dass im Fall des Pflichtteilsrechts das Recht des Herausgabeverpflichteten zu Abwendungszahlungen in § 2329 Abs. 2 BGB ausdrücklich vorgesehen ist. Denn auch wenn in den Fällen der §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 2113 Abs. 2 und 2287 Abs. 1 BGB etwaige Abwendungszahlungen unter den Beteiligten im Vergleichswege ausgehandelt werden, haben sie ihren Ursprung in den entsprechenden im BGB geregelten Herausgabeansprüchen.
Das reicht für eine Berücksichtigung im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 2 oder Nr. 3 ErbStG aus."

Der Schenkungsteuerbescheid aus 2004 sei auch abzuändern, da die Abfindungszahlung aus 2015 ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO sei. Denn die maßgeblichen Herausgabeansprüche aus den §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 2113 Abs. 2 und 2287 Abs. 1 BGB haften der beeinträchtigenden Schenkung von Anfang an als potentielle Verpflichtungslage an, die sich durch die später geleistete Zahlung im Nachhinein rückwirkend realisiere.
§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO sei nach Auffassung des Senats auch dann anzuwenden, wenn statt der tatsächlichen Herausgabe des Geschenks Abwendungszahlungen geleistet werden, die nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG steuermindernd zu berücksichtigen sind. Denn derjenige, der statt der Herausgabe eine Abwendungszahlung geleistet habe, könne verfahrensrechtlich nicht schlechter stehen.

Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

Unentgeltliche Zuwendungen haben zivilrechtlich eine geringere Bestandsfestigkeit als entgeltliche Erwerbe, so dass sich Erwerber nicht selten Herausgabeansprüchen gegenüber sehen. Zu nennen sind hier insb. die Herausgabeansprüche

  • bei Verarmung des Schenkers nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB,
  • bei der Verfügung eines Nichtberechtigten nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB,
  • der Vertrags- oder Schlusserben bei beeinträchtigenden Schenkung des Erblassers nach § 2287 BGB oder
  • wegen der Pflichtteilsergänzung gegenüber dem Beschenkten nach § 2329 BGB.

In diesen Fällen entfällt nach § 29 Abs. 1 ErbStG der staatliche Steueranspruch für die Vergangenheit, sobald der geschenkte Gegenstand tatsächlich herausgegeben wurde.

Doch was passiert, wenn der geschenkte Gegenstand nicht herausgegeben wird, sondern der Beschenkte von einer gesetzlich eingeräumten Abwendungsbefugnis (§§ 528 Abs. 1 S. 2, 2329 Abs. 2 BGB) Gebrauch macht oder, wo eine solche nicht vorgesehen ist, sich mit dem Gläubiger auf eine Abfindungszahlung einigt?

  • Bei einer Abwendungszahlung bei Verarmung des Schenkers entfällt die Steuerpflicht kraft ausdrücklicher Anordnung in § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, und
  • bei einer Abwendungszahlung an den Pflichtteilsergänzungsberechtigten hat der BFH in der oben zitierten Entscheidung eine erwerbsmindernde Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG anerkannt (zu einer entsprechenden Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG konnte er sich nicht durchringen).
  • Für vereinbarte Abfindungszahlungen zur Abwendung der Herausgabe nach den §§ 816, 2287 BGB hat das FG Münster nun die verbliebene Lücke geschlossen.

Diese Lücke beruht auf einer nicht nachvollziehbaren Schwäche des § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, der lediglich Abwendungszahlungen bei Verarmung des Schenkers erfasst, nicht aber sämtliche Fälle, in denen eine erzwingbare Herausgabe eines Gegenstands durch eine bereicherungsmindernde Zahlung abgewendet wird.



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