nach oben

Europäisches Nachlasszeugnis – Beantragung, Gültigkeit und Kosten

Um ihr Erbrecht nachweisen und frei über den Nachlass verfügen zu können, müssen Erben ihre Erbenstellung nachweisen. Befinden sich Nachlassgegenstände im Ausland, reicht ein deutscher Erbschein zum Nachweis der Erbenstellung oft nicht aus. In solchen Fällen hilft das sogenannte Europäische Nachlasszeugnis.

Was das Europäische Nachlasszeugnis ist, wann Sie es brauchen, wie Sie es beantragen und welche Kosten auf Sie zukommen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Das Wichtigste zum Europäischen Nachlasszeugnis
  • Das Europäische Nachlasszeugnis ist eine Alternative zum Erbschein.
  • Es ermöglicht Erben, ihre Erbenstellung auch im europäischen Ausland nachzuweisen.
  • Das Europäische Nachlasszeugnis (auch ENZ oder EU-Erbschein) muss in der ganzen EU (außer in Irland und Dänemark) als Erbnachweis akzeptiert, ist aber (anders als der Erbschein) nur für sechs Monate gültig, wobei man eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer beantragen kann.
  • Beantragt wird das ENZ in der Regel beim Nachlassgericht am letzten Wohnort des Erblassers.
  • Für die Beantragung und Erteilung des ENZ fallen die gleichen Kosten wie beim Erbschein an, nämlich in der Regel zwei volle Gebühren nach Tabelle B des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG), deren Höhe vom Bruttonachlasswert abhängt.

1. Was ist ein Europäisches Nachlasszeugnis?

Das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) wurde am 17.08.2015 durch die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) eingeführt. Für Erben ist es von Bedeutung, wenn das Erbrecht in einem anderen EU Mitgliedsstaat nachgewiesen werden soll, z.B. wenn ein Erblasser in Deutschland verstirbt, sich aber Bankkonten oder Immobilien im Ausland befinden und ein Erbnachweis verlangt wird. Manchmal wird ein deutscher Erbschein zwar auch im Ausland Akzeptiert, ein Anspruch darauf besteht im Ausland allerdings nicht.

Das Europäische Nachlasszeugnis ist dagegen in der ganzen europäischen Union – mit Ausnahme von Irland und Dänemark – gültig, d.h. es muss von allen Gerichten und Behörden im Ausland akzeptiert werden.

Hierzu wurde ein einheitliches europaweites Formular zur Beantragung und Ausstellung des ENZ entwickelt, das die Besonderheiten aller europäischen Erbrechtsregelungen abbilden kann und daher viel ausführlicher als ein deutscher Erbschein ist. Das Musterformular finden Sie hier.

2. Was ist der Unterschied zwischen dem Erbschein und dem Europäischen Nachlasszeugnis?

Video


Im Video erklärt Sebastian Höhmann, Fachanwalt für Erbrecht in Berlin, den Unterschied zwischen dem Erbschein und dem Europäischen Nachlasszeugnis:

  • Der Erbschein ist kürzer und übersichtlicher, in Deutschland nach wie vor verbreiteter und hat eine unbegrenzte Gültigkeitsdauer,
  • das ENZ kann auch ausländisches Erbrecht nachweisen und muss im EU-Ausland (außer Irland und Dänemark) akzeptiert werden. 
  • Die Kosten sind dagegen die gleichen, beide Bescheinigungen müssen beim zuständigen Nachlassgericht, d.h. am letzten Wohnort des Erblassers beantragt werden 
  • und für beide Anträge verlangt das Nachlassgericht in der Regel eine eidesstattliche Versicherung, die entweder vor einem Notar oder direkt beim Nachlassgericht abzulegen ist.

Praxistipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

In manchen Fällen ist ein Europäisches Nachlasszeugnis auch im Ausland nicht nötig, um die Erbenstellung nachzuweisen, wenn Ihnen ein Erbschein schon vorliegt. Klären Sie deswegen vorab, ob Sie sich die Kosten und den Aufwand für das Europäische Nachlasszeugnis nicht vielleicht sparen können.

3. Wo und wie kann das Europäische Nachlasszeugnis beantragt werden?

Das Europäische Nachlasszeugnis muss beim Nachlassgericht beantragt werden. Zuständig ist immer das Nachlassgericht am letzten Wohnort des Erblassers. In manchen Ländern, beispielsweise in Frankreich, wird die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses aber auch von Notaren übernommen.

Beantragen können das Europäische Nachlasszeugnis, auch EU-Erbschein genannt, folgende Personen:

Ob auch Nachlassgläubiger einen EU-Erbschein beantragen können, ist noch nicht entschieden.

Für die Beantragung werden verschiedene Unterlagen benötigt. Welche genau, ist abhängig davon, in welchem Land der EU-Erbschein beantragt wird. Meist werden folgende Unterlagen benötigt:

  • Eröffnetes Testament oder Erbschein,
  • Sterbeurkunde des Erblassers,
  • Geburtsurkunde des Antragsstellers und
  • Eheurkunden, falls vorhanden.
  • In Deutschland: Eidesstattliche Versicherung des Antragsstellers vor dem Nachlassgericht, einem Notar oder einer Botschaft im Ausland

4. Wie lange ist das Europäische Nachlasszeugnis gültig?

Anders als der unbegrenzt gültige Erbschein hat das Europäische Nachlasszeugnis nur eine Gültigkeitsdauer von 6 Monaten.

Nach Ablauf des halben Jahres kann die Gültigkeitsfrist beim zuständigen Nachlassgericht auf Antrag verlängert werden. Entweder kann die Gültigkeitsfrist der beglaubigten Abschrift verlängert oder es muss eine neue beglaubigte Abschrift beantragt werden. Die Gebühr hierfür beträgt lediglich 20 € (Nr. 12218 KV_GNotKG)

5. Ist für das Europäische Nachlasszeugnis eine Übersetzung erforderlich?

Die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses erfolgt immer in der Sprache des jeweiligen Landes, in dem es ausgestellt wird. Ggf. kann im Ausland eine amtliche Übersetzung verlangt werden.

Für den Antrag stehen allerdings meist Formulare in unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung.

Praxistipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Europäische Nachlasszeugnisse können auf Antrag beim Nachlassgericht geändert oder widerrufen werden, wenn eine Person ein berechtigtes Interesse an einer Änderung oder einem Widerruf nachweisen kann. Ebenso kann eine Änderung oder ein Widerruf von Amts wegen erfolgen, wenn entsprechende Gründe vorliegen.

 

Wenn Sie Fragen haben oder Hilfe benötigen, kann Sie ein Erbrechtsexperten in Ihrer Nähe unterstützen.

 

Fachanwalt in ihrer Nähe finden

6. Welche Kosten entstehen für das Europäische Nachlasszeugnis?

Für die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses fallen Kosten an, die nach § 40 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) berechnet werden und abhängig vom Nachlasswert sind.

Bei einem Nachlasswert von 100.000 € belaufen sich die in Deutschland die Gerichtskosten für die Ausstellung des EU-Erbschein beispielsweise auf 273 €. Die Angaben im Antrag müssten in der Regel an Eidesstatt versichert werden, wofür das Nachlssgerichts nochmal 273 € verlangt. Wird die eidesstattliche Versicherung beim Notar abgegeben, kommen zu dem Betrag Auslagen ujdn Mehrwersteuer hinzu.

Anders sieht es aus, wenn bereits ein Erbschein beantragt wurde, der ebenso viel kostet wie ein EU-Erbschein. In diesem Fall können die Kosten für den Erbschein zu 75 Prozent angerechnet werden, wodurch sich die finanzielle Belastung für das ENZ deutlich minimiert.

Die Verlängerung der Gültigsdauer kosten lediglich 20 €.

So können Ihnen Fachanwälte für Erbrecht beim Europäischen Nachlasszeugnis behilflich sein

Das deutsche Erbrecht ist für Laien oftmals schon schwierig genug zu überblicken. Umso komplizierter wird es, wenn sich Nachlassgegenstände im Ausland befinden und sich verschiedene Rechtsordnungen kreuzen.

Ein Fachanwalt für Erbrecht kann Ihnen bei Fragen und Problemen zum Europäischen Nachlasszeugnis jederzeit behilflich sein. Wenn Ihnen die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses beispielsweise verweigert wird, haben Sie die Möglichkeit, dagegen vorzugehen und Ihr Recht durchzusetzen.

Nehmen Sie jetzt Kontakt zu einem Erbrechtsexperten in Ihrer Nähe auf, um Ihr persönliches Anliegen zu besprechen.

Fachanwälte in Ihrer Nähe anzeigen

Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker e.V. Erbrechtsmediation Erbrechtsakademie