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25.01.2016
Wohnrecht - Rückforderung - Geschäftsunfähigkeit

Immobilie muss bei Geschäftsunfähigkeit zurückgegeben werden

Das Landgericht Mosbach hat entschieden, dass ein zu Lebzeiten auf ein Kind übertragenes Haus zurückgefordert werden kann, wenn ein Elternteil bei Abschluss des Notarvertrages geschäftsunfähig war. Dies teilt Erbrechtsexperte Wolfgang Roth aus Obrigheim mit und erklärt den Hintergrund des neuen Urteils.

Der Leitgedanke der Entscheidung

Übertragen Eltern ihre Miteigentumsanteile an einem Haus unter Vorbehalt eines lebenslangen Wohnrechts auf ein Kind, ist der Übergabevertrag insgesamt nichtig und das Übergabeobjekt rückforderbar, wenn auch nur einer der Übergeber geschäftsunfähig war.

Der Sachverhalt des Urteils

Beide Elternteile übergaben mittels notariellem Vertrag vom Oktober 2013 ihr Wohnhaus, das ihnen zu je 1/2 gehörte, auf einen ihrer beiden Söhne. Ein lebenslanges Wohnrecht behielten sie sich vor. Im November 2013 erteilte die Mutter dem zweiten Sohn eine notarielle Vorsorgevollmacht. Einen Monat später verstarb ihr Ehemann. Ihn beerbte die Ehefrau alleine auf Grund eines Berliner Testaments. Ein Gutachter stellte für den Zeitpunkt der Vollmachtserteilung die Geschäftsunfähigkeit der Witwe fest. Ihr Sohn wird vom Betreuungsgericht zu ihrem Betreuer bestellt. Für die inzwischen altersdemente und in einem Pflegeheim wohnende Mutter fordert der Betreuer von seinem Bruder, dass die Mutter wieder als Alleineigentümerin des übergebenen Hauses im Grundbuch eingetragen wird. Der Übernehmer verteidigt sich damit, dass jedenfalls der Miteigentumsanteil des Vaters an ihn wirksam übertragen worden sei. Außerdem habe der Notar am Anfang des Übergabevertrages aufgenommen, dass er keinerlei Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der verstorbenen Mutter hatte. Das Landgericht gibt dem Rückübertragungsanspruch dennoch statt.

Die Gründe des Urteils

Die Übertragung des Miteigentumsanteils der Erblasserin im Oktober 2013 war nichtig, da sie damals bei Abschluss des Notarvertrages geschäftsunfähig war. Die vom Gutachter ermittelte Geschäftsunfähigkeit der Verstorbenen zum Zeitpunkt der Vollmachtserrichtung im November 2013 liegt so zeitnah und eng zum Zeitpunkt der Beurkundung des Übergabevertrages, dass sich die Geschäftsunfähigkeit auch hierauf bezieht. Der Notar ist nicht geeignet, aus eigenen Erwägungen heraus eine sachverständige Prüfung über die Geschäftsfähigkeit der Beurkundenden zu treffen, da er insoweit nicht sachkundig ist. Die Erklärung am Anfang der Notarurkunde ist ein jederzeit widerlegbares, bloßes Indiz hierfür, aber kein voller Beweis.

Bereits die im Übergabevertrag von beiden Elternteilen erklärte gemeinsame Auflassung begründet die tatsächliche Vermutung, dass ein Einheitlichkeitswille hinsichtlich einer Gesamtübertragung der Immobilie bestand. Die Übertragung der einzelnen Mitberechtigungsanteile ist demnach als einheitliches Rechtsgeschäft anzusehen. Das folgt auch daraus, dass sich die Eltern als Gesamtgläubiger nach § 428 BGB ein lebenslanges Wohnrecht vorbehalten haben. Nach § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist auf Grund der Nichtigkeit der Vertragserklärungen der Übergeberin der gesamte Übergabevertrag nichtig. Deshalb ist die Mutter als Erbin ihres Mannes (vertreten durch den Betreuer) berechtigt, das ganze Haus an sich zurück zu fordern.

Praxishinweis für Sie

Nicht selten wird nachträglich festgestellt, dass ein Elternteil als Übergeber eines Miteigentumsanteils einer Immobilie geschäftsunfähig ist. In der Regel wird in einer einzigen notariellen Urkunde zugleich die Auflassung erklärt und ein lebenslanges Wohnrecht für beide Elternteile vorbehalten. Das Urteil des LG Mosbach ist für die Praxis sehr wichtig, da es auf eine Vielzahl von gleichgelagerten Fällen nach dem Tod eines der Übergeber und dessen Beerbung durch den Ehegatten per Ehegatten- oder Berliner Testament angewendet werden kann, worauf der Obrigheimer Erbrechtsexperte Wolfgang Roth hinweist.

Fundstelle: LG Mosbach, Urteil v. 23.12.2015 – 2 O 221/14 



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