Erbeinsetzung - Vermächtnis
Testamentsauslegung bei Zuwendung von Einzelgegenständen
Juristische Laien machen immer wieder den Fehler, in ihrem Testament keine festen Erbquoten anzugeben, sondern nur einzelne Gegenstände (z.B. das Wohnhaus, eine Ferienwohnung, das Aktiendepot oder den Pkw) unter den Hinterbliebenen zu verteilen. Für das Nachlassgericht, das auf der Grundlage eines derartigen Testaments einen Erbschein erteilen soll, ergeben sich hieraus erhebliche Probleme. Im Erbschein sind nämlich keine Gegenstände verzeichnet, sondern nur Name und Anschrift der einzelnen Miterben, sowie die ihnen jeweils am Nachlass zustehenden Erbquoten (in Form von Bruch- oder Prozentzahlen).
Testament ohne konkrete Erbquoten
Hat der Testierende im Testament keine konkreten Erbquoten angegeben, muss das Nachlassgericht im Wege der Auslegung versuchen zu ermitteln, was der Testierende tatsächlich gewollt hat.
Zunächst ist zu prüfen,
- ob der Testierende die Einzelgegenstände in Form von Vermächtnissen zuwenden wollte (und es im Übrigen bei der gesetzlichen Erbfolge verbleibt)
- oder ob der Erblasser praktisch sein gesamtes Vermögen unter den Hinterbliebenen in Form einer testamentarischen Miterbeneinsetzung verteilen wollte.
In letzterem Fall muss das Nachlassgericht zusätzlich noch die Höhe der Erbquoten dadurch ermitteln, in dem der Wert der einzelnen Gegenstände mit dem Wert des Gesamtvermögens verglichen wird. Hierbei kommt es im Regelfall auf den Wert zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung und nicht auf den des Erbfalls an.
Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB
Werden einem Bedachten nur einzelne Gegenstände des Nachlasses zugewendet, ist nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht anzunehmen, dass dieser Erbe sein soll. Er ist dann nur Vermächtnisnehmer.
Ausnahmen zur Bestimmung des § 2087 Abs. 2 BGB
Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB wird dann durchbrochen, wenn der Testierende – bei verständiger Würdigung des Erblasserwillens – dem Bedachten, der Einzelgegenstände erhalten sollte, die Stellung eines Erben verschaffen wollte (unter Umständen verbunden mit einer Teilungsanordnung nach § 2048 BGB).
Wortwahl nicht primär entscheidend
Auf die Wortwahl kommt es dabei nicht an; selbst wenn der Erblasser in einem notariellen Testament einen Gegenstand „vermacht“ hat, ist dieser Begriff auslegungsfähig. Einzelzuwendungen können nach der Rechtsprechung – entgegen der Regel des § 2287 Abs. 2 BGB – dann als Erbeinsetzung aufgefasst werden, wenn der Erblasser bei Errichtung der Verfügung davon ausging, damit nahezu über sein gesamtes Vermögen zu testieren. Einen derartigen Gesamtverfügungswillen nimmt die Rechtsprechung regelmäßig an, wenn der Erblasser über mindestens 80 % seines gesamten Vermögens verfügt hat.
Das OLG Düsseldorf hatte in seinem Beschluss vom 05.08.2016 (I-3 WX 74/16 = BeckRS 2016, 18624) über die Frage zu entscheiden, ob es bei der Auslegung des Gesamtverfügungswillens stets auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung ankommt. Das Gericht hatte die Frage zu beantworten, was gilt, wenn nach der Testamentserrichtung weiteres, wesentliches Vermögen hinzuerworben wird.
Der BGH (NJW 1997, 392) ging bisher davon aus, dass sich auch bei einer späteren Veränderung der Wertverhältnisse die Bestimmung der Erbquoten grundsätzlich nach den ursprünglichen Vermögensverhältnissen zu richten hat.
Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss folgende Differenzierung vorgenommen:
- Geht es dem Erblasser vorrangig darum, dem Bedachten eine möglichst vollständige Beteiligung am Nachlass zu sichern, ändert ein späterer Vermögenszuwachs bis zum Erbfall an dieser Erbeinsetzung nichts mehr.
- Kann dem Testament die Absicht entnommen werden, Zuwendungen auf den genannten Vermögensgegenstand zu beschränken, würde ein späterer Vermögenszuwachs dazu führen, dass die Einzelzuwendung nur als Teileinsetzung anzusetzen ist, für das sonstige Vermögen die Bestimmung des § 2088 Abs. 1 BGB gilt. Bei dieser Regelung würde für den Restnachlass die gesetzliche Erbfolge greifen.
Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 05.08.2016 ausdrücklich die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen. Begründet wurde dies damit, dass die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf möglicherweise von der früheren Entscheidung des BGH (NJW 1997, 392) abweicht.
Die Rechtsbeschwerde wurde zwischenzeitlich eingelegt. Die Sache wird beim BGH unter dem Az. IV ZB 15/16 geführt.
Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München, weist darauf hin, dass die Ermittlung des Erblasserwillens bei der Zuwendung von Einzelgegenständen zur hohen Kunst der Testamentsauslegung zählt. Ein Rückgriff auf die Bestimmung des § 2087 BGB ist erst zulässig, wenn trotz (ergänzender) Auslegung der Wille des Erblassers nicht zweifelsfrei bestimmt werden kann. Dies setzt eine genaue Recherche der Vermögensverhältnisse sowohl im Zeitpunkt der Testamentserrichtung, als auch des Erbfalls voraus.
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