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24.04.2018
Widerruf des Testaments muss selbst erfolgen

Schwiegersohn darf im Testament nichts streichen

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert eine neue Entscheidung, die sich mit der Streichung eines Testaments durch den Schwiegersohn der Erblasserin beschäftigt:

Kein Testamentswiderruf durch den Schwiegersohn

Die verstorbene Mutter hinterließ zwei Töchter. Eine davon bestimmte sie mit ihrem Testament zu ihrer Alleinerbin. Jene hatte sich viele Jahre um den bereits zuvor verstorbenen Vater und die Mutter gekümmert. Ihr privatschriftliches Testament übergab sie zur Sicherheit ihrer Tochter zur Aufbewahrung. Nachdem in der Familie die Alleinerbeinsetzung des sorgenden Tochter bekannt geworden war, fand ein "Familiengipfel" bei der Erblasserin - wohl auf Betreiben des Ehemannes der nicht-bedachten Tochter -  statt. Daran nahmen die zwei Töchter sowie der genannte Schwiegersohn teil.

Änderungen an der Kopie des Testaments durch Dritte

Er brachte eine Farbkopie des handschriftlichen Testaments seiner Schwiegermutter mit. Im Verlauf des Gesprächs schrieb er selbst einen Vermerk auf die Kopie des Testaments, dass dieses Schreiben ungültig sei; er strich auch noch selbst verschiedene Teile des Testaments der Schwiegermutter durch. Außerdem zerriss er die Testamentskopie und unterschrieb auf einer anderen Kopie – angeblich auf ausdrückliche Weisung der Erblasserin –, dass das Originaltestament nicht mehr gelten sollte.

Nach dem Tod der Mutter legte die zur Erbin eingesetzte Tochter das Originaltestament dem Nachlassgericht vor und beantragte einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Das Nachlassgericht stellte den beantragten Erbschein in Aussicht, wogegen die enterbte Tochter Beschwerde einlegte. Der Senat des OLG Stuttgart weist die erhobene Beschwerde zurück.

Testamentswiderruf darf nur persönlich erfolgen

Der Senat des OLG Stuttgart stellt fest, dass die Verstorbene den Zusatz, dass ihr Testament für ungültig erklärt werde, nicht selbst geschrieben hatte. Auch die Vernichtung des Testaments durch Zerreißen desselben erfolgte nicht durch sie selbst. Die Unterschrift unter die Testamentskopie hat sie ebenfalls selbst nicht angebracht. Ein Wille der Verstorbenen zum Widerruf ihres Testaments ist aus diesen Handlungen für das Gericht nicht erkennbar. Nur die Streichung, wenn sie bewiesen wäre, könnte auf einen möglichen Widerrufswillen hindeuten und hierfür auch genügen.

Wenn mehrere Exemplare des Testaments existieren

Jedoch existierten mehrere Exemplare des Testaments in Kopie, so dass der für diese Fälle einschlägige § 2255 Satz 1 BGB dem Wortlaut her schon dann nicht eingreift, wenn die Erblasserin nur eine von mehreren Testamentsunterschriften vernichtet oder verändert hatte. Dies gilt erst recht, wenn es sich bei der veränderten Testamentsunterlage lediglich um eine Kopie handelt. Wenn mehrere Testamentsurkunden existieren, ist ein Widerruf nur dann anzunehmen, wenn ohne Zweifel feststeht, dass der Aufhebungswille des Erblassers gegeben ist.

Ein Aufhebungswille der Verstorbenen in Bezug auf das Originaltestament, das erst drei Monate vor dem "Familiengipfel" erstellt worden war und – was nahe gelegen wäre – von der Erblasserin zur Vernichtung oder Aufhebung gar nicht zurückverlangt wurde, ist nicht nachgewiesen. Aus diesen Gründen bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. 

Praxistipp von Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth

Der Beschluss zeigt einmal mehr, was in der erbrechtlichen Praxis häufig vorkommt: Nicht selten sind es gar nicht die eigenen Kinder, die um das Erbe streiten, sondern die angeheirateten Schwiegerkinder, die Streit in die Familie tragen. Und dies, obwohl sie gar nicht in die gesetzliche Erbfolge gehören.

In prozesstaktischer Hinsicht gibt die Entscheidung Anlass zu folgendem Hinweis:

Wenn offen bleibt, ob der Erblasser sein Testament in Vernichtungsabsicht aufheben wollte, muss immer derjenige diese Vernichtungshandlung und Vernichtungs- bzw. Widerrufsabsicht beweisen, der das Testament nicht gegen sich gelten lassen will (sogenannte prozessuale Beweislast). Zu diesen prozessualen Besonderheiten können Sie sich vertieft informieren in einem Fachbeitrag Ihres Erbrechtsexperten Wolfgang Roth in NJW-Spezial 2014, Seite 551.

Fundstelle der Entscheidung: OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.8.2017 – 8 W 71/16 



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