nach oben
A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | X | Y | Z |

Anstandsschenkung Anstandsgeschenke

Was sind Anstandsschenkungen?

Der Erblasser kann gegenüber einem Erben oder auch Dritte kleinere Schenkungen aus der Erbmasse vornehmen, beispielsweise zu Geburtstagen, Hochzeiten oder Jubiläen. Solange sich diese Geschenke bzw. Anstandsgeschenke in einem Rahmen halten, der den jeweiligen Lebensumständen, Gepflogenheiten und Sitten entspricht, entsteht für Pflichtteilsberechtigte durch diese Schenkungen kein Pflichtteilsergänzungsanspruch. Das Bürgerliche Gesetzbuch definiert in § 534 zudem, dass Pflichtschenkungen und Anstandsschenkungen „nicht der Rückforderung und dem Widerruf unterliegen“.  

Was sind typische Anstandsschenkungen-Anlässe und Geschenke?

Die Kinder des Erblassers ziehen aus, schließen eine Ausbildung oder ein Studium ab, gründen ein eigenes Unternehmen, heiraten oder werden selbst Eltern: Das alles sind typische Anlässe für eine Anstandsschenkung. Der Schenker kann seine Erben zu solchen Anlässe mit Zuwendungen wie Möbel, Geld, eine Hochzeitsreise oder auch ein Auto versehen – oder eben auch mit Geldbeträgen. Eine Obergrenze für den Wert solcher Schenkungen ist nicht genau definiert.  Tatsächlich kommt es bei der Bewertung von Anstandsschenkungen immer darauf an, in welchen Verhältnissen Erblasser und Beschenkter leben und in welcher Beziehung sie zueinander stehen.

Wann müssen Anstandsschenkungen vorgenommen werden?

Erblasser können Anstandsschenkungen prinzipiell jederzeit vornehmen, also zu Lebzeiten ebenso wie zu dem Zeitpunkt, in dem der Erbfall eintritt. Wenn also beispielsweise ein Erblasser seinem Nachbarn für dessen Hilfe beim Blumengießen oder beim Leeren des Briefkastens als Dank seinen Rasenmäher schenken oder gar wertvolle Gegenstände zukommen lassen will und er ihm dies als Schenkungsversprechen gibt („Wenn ich sterbe, bekommst Du meinen Rasenmäher!“) , dann würde diese Anstandsschenkung auch dann eine sein, wenn sie erst beim Erbfall eintritt. In jedem Fall muss der Schenkende beim Schenken selbst nicht explizit erwähnen, dass es sich hierbei um eine einer Anstandsschenkung handelt.

Was passiert, wenn eine Anstandsschenkung das übliche Maß übersteigt?

Fällt eine Anstandsschenkung zu opulent aus, unterliegt  nur der Teil der Anstandsgeschenke, die dieses Maß übersteigen, dem Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Welche Auskunftsrechte haben Pflichtteilsberechtigte bei Anstandsschenkungen?

Gehört ein Pflichtteilsberechtigter nicht zur Erbengemeinschaft, weiß er in der Regel nicht, in welcher Höhe sich die Erbmasse und damit sein Pflichtteil bewegen. Entsprechend hat er gegenüber den Erben bzw. der Erbgemeinschaft einen Auskunftsanspruch.

Was jedoch Anstandsschenkungen angeht, gibt es zumindest Urteile, die das uneingeschränkte Auskunftsrecht des Pflichtteilsberechtigten auch auf solche Zuwendungen einschränken – und zwar ausschließlich auf Anstandsschenkungen, die das sonst in diesem Familienkreis übliche Maß an Wert übersteigen.

Welche Beweispflicht hat der Beschenkte?

Der „Empfänger“ einer Anstandsschenkung muss im Zweifelsfall dem Pflichtteilberechtigten gegenüber beweisen, dass sich bei der Schenkung um eine Anstandsschenkung gehandelt hat. Diese Beweispflicht greift aber erst dann, wenn der Pflichtteilberechtigte seinerseits die Schenkung an sich beweisen kann.

Anstandsschenkung und Sozialhilferegress

Folgt man der Definition des BGB, dass Pflichtschenkungen und Anstandsschenkungen nicht der Rückforderung und dem Widerruf unterliegen, können Sozialhilfeträger oder andere Drittschuldner  in der Theorie auch keinen Anspruch auf Rückzahlung von regelmäßig oder einmalig gezahlten Geldschenkungen an Dritte seitens des Erblasser erheben, wenn dieser beispielsweise in einem Pflegeheim untergebracht ist und sein eigenes Vermögen nicht mehr zur Deckung der Pflege- und Unterbringungskosten ausreicht.

Anders verhält es sich jedoch für „normale“ Schenkungen. Verarmt nämlich ein Erblasser, können solche Schenkungen – zumindest jene, die in den letzten zehn Jahren vorgenommen wurden – von den Beschenkten zurückgefordert werden, um beispielsweise eben Unterbringungs- und Pflegekosten in Heimen und anderen Einrichtungen zu decken und die öffentliche Hand kostenseitig zu entlasten.

Anstandsschenkung und Nießbrauch

Ein Fall von Anstandsschenkung kann beispielsweise auch dann vorliegen, wenn ein Erblasser seinem Mann oder seiner Frau das Wohnrecht in seiner Immobilie schenkt, weil der Ehepartner sich viele Jahre unentgeltlich um ihn/sie und/oder die Kinder, den Haushalt gekümmert hat und dabei auch keine Möglichkeiten hatte, einer Arbeit nachzugehen und Vermögen aufzubauen.  Dieser Nießbrauch als Anstandsschenkung hätte insofern auch keine Erhöhung des Pflichtteils zur Folge bzw. würde daraus kein Pflichtteilsergänzungsanspruch für Pflichtteilsberechtigte entstehen.

Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker e.V. Erbrechtsmediation Erbrechtsakademie