Europa - Nachlass - Zeugnis
Das Europäische Nachlasszeugnis ist da!
Seit 2012 ist die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) in Kraft, die für Todesfälle in Europa, die nach dem 17.8.2015 eintreten, gilt. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) neu eingeführt. Es wird künftig die Abwicklung internationaler Erbfälle erheblich erleichtern. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth aus Obrigheim gibt einen Überblick über die gesetzlichen Neuerungen.
Wozu ein Europäisches Nachlasszeugnis?
Das Europäische Nachlasszeugnis stellt (wie ein inländischer Erbschein) einen Erbnachweis dar, der in allen Mitgliedsstaaten, in welchen die Europäische Erbrechtsverordnung gilt, anerkannt ist. Die Stellung der Erben in diesen internationalen Erbfällen kann durch das neue Zeugnis des Erbrechts in den Mitgliedsstaaten rechtssicher nachgewiesen werden. Hatte der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) keine Rechtswahl hinsichtlich des anzuwendenden Rechts zur Abwicklung und Regulierung seines Nachlasses getroffen, ist dasjenige Erbrecht anzuwenden, das in dem Land galt, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die dortigen Nachlassgerichte sind für die Nachlassregelung auch örtlich zuständig.
Das Antragsverfahren
Im Rahmen der Verfahrensdurchführung ist die Durchführungs-Verordnung Nr. 1329/2014 zu beachten. Diese wurde am 9.12.2014 erlassen und führte neue Formblätter ein, die bei Anwendung der Europäischen Erbrechtsverordnung verwendet werden müssen. Für das Europäische Nachlasszeugnis ist Artikel 65 II EU-ErbVO wichtig, welcher den Antrag auf Erteilung dieses Zeugnisses regelt. Art. 67 Absatz 1 EU-ErbVO befasst sich mit dem Europäischen Nachlasszeugnis und dessen Erteilung. Wird ein gerichtlicher Vergleich in einem erbrechtlichen Prozess geschlossen, ist ein Formblatt nach der Durchführungs-Verordnung gemäß Artikel 61 Absatz 2 EU-ErbVO vorgesehen, ebenso für Bescheinigungen über öffentliche Urkunden in einer Erbsache (Artikel 59 Absatz 1 und Artikel 60 EU-ErbVO). Wird eine Entscheidung in einer Erbsache getroffen, kann eine international gültige Bescheinigung gemäß eines Formblatts nach Artikel 46 Absatz 3 b EU-ErbVO erteilt werden. Das gesamte Verfahren über das Europäische Nachlasszeugnis ist in §§ 33 ff. IntErbRVG geregelt. Finden sich in der EU-ErbVO und dem IntErbRVG keine speziellen Regelungen, ist nach der Öffnungsklausel des § 35 Absatz 1 IntErbRVG das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) anwendbar.
Wer darf das Europäische Nachlasszeugnis beantragen?
Die Antragsberechtigung steht nach Artikel 63 I EU-ErbVO den Erben, denjenigen, die ein Vermächtniserhalten, Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern zu. Nachlassgläubigern steht das Antragsrecht nicht zu, was bei einem deutschen Erbschein anders ist. Der Antrag auf Erteilung des Zeugnisses kann direkt bei Gericht oder vor einem Notar gestellt werden. Die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts richtet sich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Bei der Wahl des Notars ist der Erbe für seine Antragstellung frei. Eine Versicherung an Eides statt ist, wie bisher bei einem Antrag eines Erbscheins, ebenfalls vorgesehen; sie kann allerdings erlassen werden.
Besonderheiten des Europäischen Nachlasszeugnisses
Das Europäische Nachlasszeugnis wird nur erteilt, wenn es in einem Mitgliedsstaat verwendet wird, in dem die EU-ErbVO ebenfalls gilt. Weil Dänemark, das Vereinigte Königreich (Großbritannien) und Irland sind mangels Beitritt keine Mitgliedsstaaten der EU-ErbVO sind, kann für diese Länder das Zeugnis nicht erteilt werden.
Für internationale Erbfälle kann neben dem Zeugnis auch weiterhin ein deutscher Erbschein beantragt werden. Umgekehrt gilt: wenn ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragt wird, kann jedoch nicht noch zusätzlich ein deutscher Erbschein beantragt werden.
Das Europäische Nachlasszeugnis ist sechs Monate lang gültig, wobei die Gültigkeitsdauer verlängert werden kann. Wurde ein deutscher Erbschein beantragt, werden drei Viertel (¾) der Kosten hiervon angerechnet.
Mit dem neu eingeführten Zeugnis kann, anders als mit einem deutschen Erbschein, der nur die Erbenstellung nachweist, auch die Stellung als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter rechtssicher nachgewiesen werden. Die Vorschriften zum Erbscheinverfahren der §§ 2354 bis 2359 werden aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) herausgenommen und in §§ 352 bis 352 e) FamFG mit geringen Modifikationen überführt. Wer im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge einen Erbschein beantragt, muss künftig auch den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort nebst Staatsangehörigkeit des Erblassers und die Größe seines Erbteils angeben.
Praxishinweis:
Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth weist darauf hin, dass trotz der teils unübersichtlichen Vorschriften und Paragrafen das neue Europäische Nachlasszeugnis künftig die Abwicklung internationaler Erbfälle erheblich erleichtern wird. Solche internationalen Verflechtungen können durch im Ausland befindlichen Nachlass (v.a. Immobilien), den Tod des Erblassers im Ausland oder durch eine ausländische Staatsangehörigkeit der Erben entstehen. Insbesondere Grundbuchberichtigungen und –eintragungen auf Grund Erbfolge in Mitgliedsstaaten werden künftig einfacher erfolgen können.
← zurück