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17.07.2015
Reichweite der Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts

Beweiserhebung bei Bestreiten der Echheit eines Testaments.

Im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens hatte das OLG Karlsruhe über die Echtheit eines Testamentes und die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers zu entscheiden – 10.6.2015 , 11 Wx 33/15.

in einem notariellen Testament aus dem Jahre 2010 hatte eine Erblasserin mehrere Personen zu Erben eingesetzt. Weiter lagen zwei privatschriftliche Testamente der Erblasserin vom zweiten 20.12.2012 vor, in dem die Erblasserin ihre einzige Tochter als Alleinerben einsetzte und deren Tochter 4 Wohnungen vermachte. Die mit dem notariellen Testament Bedachten bestritten im Erbscheinsverfahren, dass die privatschriftlichen Testamente von der Erblasserin stammten. Im Übrigen sei die Erblasserin im Dezember 2012 testierunfähig gewesen.

Das Nachlassgericht hatte ein Gutachten über die Echtheit der handschriftlichen Testamente eingeholt und war aufgrund dessen der Überzeugung, dass die Testamente von Dezember 2012 von der Erblasserin stammten. Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit habe es nicht gesehen. Das Nachlassgericht begründet dies u.a. damit, dass ein angeregtes Betreuungsverfahren für die Erblasserin nach Vorlage einer Vorsorgevollmacht eingestellt worden sei. Deshalb wurde entsprechend dem Antrag der Tochter aufgrund der Testamente von 2012 ein Erbschein erteilt. Hiergegen hatten sich die ursprünglich Bedachten im Wege der Beschwerde gewandt.

Das OLG Karlsruhe verwies die Sache an das Nachlassgericht zur weiteren Aufklärung. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe habe das Nachlassgericht wegen der Angaben die ursprünglich Bedachten weiter aufklären müssen. Zwar sei ein Sachverständigengutachten über die Echtheit eingeholt worden; die Unterschrift unter die handschriftlichen Testamente und die etwa zeitgleich erfolgte Vorsorgevollmacht wichen aber deutlich erkennbar voneinander ab, weshalb hier weitere Ermittlungen erforderlich sind. Hier sei der aufzuklären, ob Umstände bekannt sind, wie das Testament entstanden ist. Auch habe noch mehr Schriftmaterial als Vergleichsmaterial beschafft werden müssen. Das gilt umso mehr, als vorgetragen worden war, dass die spätere Erblasserin schriftliche Arbeiten normalerweise nicht selber erledigte sondern dies  bis 2012 ihrem Lebensgefährten überließ. Hier hätte das Gericht weitere Schriftproben anfordern müssen. Auch war ein Privatgutachten eines Sachverständigen zur Echtheit vorgelegt wurden, ohne dass sich das Gericht damit auseinandergesetzt hatte. Hier wäre weitere Aufklärung erforderlich gewesen.

Hinsichtlich der Testierfähigkeit war unter anderem vorgebracht worden, dass die spätere Erblasserin seit Jahrzehnten alkohol- und medikamentensüchtig gewesen sei. Aus dem Vorbringen in der ersten Instanz hatten sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies unter Umständen zutrifft und sich hieraus möglicherweise eine Testierunfähigkeit ergab. Das Nachlassgericht hatte dies aber nicht weiter geprüft.

Da dies alles nur im Rahmen einer sehr aufwendigen Beweisaufnahme hätte erfolgen können, war die Sache an das Nachlassgericht zurückzuverweisen.

Praxistipp: Beruft man sich auf die Unechtheit eines Testaments oder auf die Testierunfähigkeit des Erblassers, sollte man möglichst viele Indizien vorbringen und unter Beweis stellen. Je umfassender man hierzu vorträgt, desto mehr ist das Nachlassgericht gehalten, diesem Vorbringen nachzugehen.



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