Erbrecht in England und Wales
Auch wenn im Volksmund von „englischem“ oder „britischem“ Recht gesprochen wird, gibt es im Vereinigten Königreich insgesamt drei Teilrechtsordnungen. Soweit hier von „englischem“ Recht oder „England“ die Rede ist, sind immer englisches und walisisches Recht und England und Wales gemeint. In Schottland und Nordirland gelten andere Jurisdiktionen.
Das englische Erbrecht unterscheidet sich grundlegend vom deutschen Erbrecht. In England gibt es im Gegensatz zu Deutschland keine automatische Erbfolge, also keine Universalsukzession, sondern wenn jemand stirbt, bildet sich der Nachlass des Erblassers, der sog. Estate, der als separate juristische Einheit von einem sog. Personal Representative abgewickelt werden muss.
Da es in England keine Universalsukzession gibt, gibt es auch keine Erben im Sinne des deutschen Erbrechts. Diejenigen Personen, die etwas aus dem Nachlass erhalten, heißen Beneficiaries, und zwar unabhängig davon, ob es ein Testament gibt oder nicht.
In England gibt es auch kein Pflichtteilsrecht. Es gibt lediglich einen möglichen Anspruch von Verwandten und Personen, die finanziell vom Erblasser abhängig waren.
Auch die Erbschaftssteuer in England ist grundlegend anders. Während in Deutschland bekanntlich die Erben mit ihren jeweiligen Freibeträgen in den jeweiligen Steuerklassen besteuert werden, wird in England ausschließlich der Nachlass besteuert. Dies kann bei grenzüberschreitenden Nachlässen und der Frage der Anrechenbarkeit der jeweilig anderen Erbschaftssteuer Fragen aufwerfen.
Egal ob Sie rechtliche Unterstützung bei einem englischen Nachlass oder bei der Beantragung eines gegenständlich beschränkten Fremdrechtserbscheins in Anwendung des Erbrechts von England und Wales in Deutschland benötigen, Rechtsanwältin und Solicitor Clara Bowater steht Ihnen für diese grenzüberschreitenden Fragen zur Seite. Clara Bowater kann auch Testamente für beide Länder für Sie entwerfen.
Wenn kein Testament vorhanden ist, ist die Reihenfolge der sog. Beneficiaries im Gesetz geregelt. Als Faustregel gilt, dass zunächst überlebende Ehegatten und eingetragene Ehepartner erben, dann Kinder, dann die Eltern des Erblassers bzw. deren Abkömmlinge, dann die Großeltern des Erblassers bzw. deren Abkömmlinge. Wenn es kein Testament gibt, können in Deutschland bekanntlich Verwandte bis zur fünften Ordnung und ferneren Ordnungen erben. In England ist dagegen die gesetzliche Erbfolge auf Verwandte bis zur dritten Ordnung beschränkt. Wenn der Erblasser nicht verheiratet war und keine Abkömmlinge hatte und es auch keine Eltern oder Großeltern des Erblassers gibt bzw. Abkömmlinge von diesen, erhält in England die englische Krone den gesamten Nachlass, wenn englisches gesetzliches Erbrecht einschlägig ist. In diesen Fällen ist es besonders wichtig zu überprüfen, welches Erbrecht einschlägig ist. Die Formvorschriften von englischen Testamenten unterscheiden sich grundlegend von denen von deutschen Testamenten. Ein formgültiges englisches Testament muss schriftlich (aber nicht handschriftlich) sein, vom Testator unterschrieben und die Unterschrift des Testators muss von zwei Zeugen bezeugt sein, wobei diese Zeugen den Inhalt des Testament nicht kennen müssen. Ein weiterer riesiger Unterschied zwischen englischem und deutschem Erbrecht ist, dass es in England kein Pflichtteilsrecht gibt. Es gibt lediglich einen möglichen Anspruch von Verwandten und Personen, die finanziell vom Erblasser abhängig waren, allerdings gelten strenge Voraussetzungen für die Bejahung eines solchen Anspruches. Wenn ein Pflichtteil geltend gemacht werden soll, ist es besonders wichtig zu überprüfen, ob deutsches oder englisches Erbrecht anwendbar ist. In England können Vermögenswerte im Zug der vorweggenommenen Erbfolge zu Lebzeiten übertragen werden. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es hier keine Obergrenzen für Freibeträge. Solange der Erblasser noch sieben Jahre nach der Schenkung lebt und sich keine Nutzungsvorteile für den Vermögensgegenstand beibehalten hat (z.B. ein kostenloses Wohnrecht), ist diese Schenkung erbschaftssteuerfrei. Für Schenkungen zwischen drei und sieben Jahren vor dem Tod gelten Erbschaftssteuer-Staffelungen. Da sich in England bei einem Todesfall der Nachlass (sog. Estate) bildet, ist in der Regel immer eine gesonderte Abwicklung des Nachlasses notwendig. Dies geschieht durch den sog. Executor, wenn es ein Testament gibt und der darin genannte Executor den Nachlass abwickelt. Wenn es kein Testament gibt oder das Testament keinen Executor nennt oder der im Testament genannte Executor bereits vorverstorben oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, den Nachlass abzuwickeln, heißt die Person Administrator. Der Überbegriff für Executor und Administrator ist Personal Representative. Ansprüche müssen in der Regel gegen den Personal Representative des Nachlasses geltend gemacht werden; dieser muss als Treuhänder auch eine Übersicht über den Nachlass an sog. Beneficiaries herausgeben. Wenn der Personal Representative seinen Pflichten nicht nachkommt oder sonstige Erbstreitigkeiten aufkommen, müssen diese gerichtlich geltend gemacht werden. Das englische Äquivalent zum deutschen Grundbuchamt ist das sog. HMLR, dies steht für His Majesty‘s Land Registry. Wenn jemand in England ein Grundstück geerbt hat, erfolgt die Eintragung im Land Registry mit Hilfe eines sog. Conveyancers. Dieser schickt den Antrag und die Antragsdokumente (also in der Regel Sterbeurkunde und Nachweis über die Nachlassabwicklung) an das englische Grundbuchamt, welches die Eigentumsumschreibung vornimmt. Circa 15% von England sind nicht im englischen Grundbuchamt registriert, in Deutschland undenkbar! In solchen Fällen benötigt man die ursprünglichen Kaufverträge (sog. Deeds), welche gemeinsam mit einem Antrag auf Ersteintragung ans Grundbuchamt geschickt werden müssen. Das Grundbuchamt registriert dann das Grundstück im Grundbuch und trägt den Erben als Eigentümer ein. Zwischen England und Deutschland gibt es kein Doppelbesteuerungs-Abkommen zur Erbschaftssteuer. Während in Deutschland bekanntlich die Erben selbst mit den jeweiligen Freibeträgen und in den jeweiligen Steuerklassen besteuert werden, wird in England ausschließlich der Nachlass besteuert. Die Einreichung der Erbschaftssteuerformulare und Bezahlung der Erbschaftssteuer ist Aufgabe des Personal Representatives, und zwar noch vor Antragstellung auf Abwicklung des Nachlasses. Obwohl es kein Erbrechtssteuer-Abkommen zwischen den beiden Ländern gibt, wird aber eine im einem Land bezahlte Erbschaftssteuer im anderen Land in der Regel angerechnet. Da es in England keine automatische Erbfolge gibt, erbt man als Person auch keine Schulden des Erblassers. Es ist Aufgabe des Peronal Representatives, die Schulden des Nachlasses zu bezahlen. Wenn sich ein Nachlass als überschuldet darstellt, kann man Antrag auf Nachlassinsolvenzverwaltung stellen. Ihre deutschsprachige NDEEX-Expertin Clara Bowater in London (+44 20 7284 6970), die als Rechtsanwältin in Deutschland und als Solicitor in England und Wales zugelassen ist, berät Sie gerne zu Ihren Erbfall mit Bezug zu England. Sie verfügt auch über ein Netzwerk von Erbrechtsexperten in Deutschland bzw. Europa, mit denen sie vertrauensvoll zusammenarbeitet, wenn Verfahren oder Steuern außerhalb Englands eine Rolle spielen. Alternativ haben auch die deutsche Botschaft in London und die Generalkonsulate im Vereinigten Königreich jeweils Verzeichnisse über deutschsprachige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zusammengestellt. Zu den grundlegenden Unterschieden gehört, dass es in England keinen Erbschein gibt. Nachdem es in England keine Erben im Sinne des deutschen Erbrechts gibt und der Nachlass immer gesondert abgewickelt wird, gibt es in England keinen Erbschein und damit – bis auf ein Testament - auch kein Dokument, welches die nachlassbegünstigen Beneficiaries ausweist. Die Abwicklung des Nachlasses erfolgt durch einen Personal Representative (genannt Executor wenn durch Testament bestimmt oder Administrator wenn nicht durch Testament bestimmt). Dieser beantragt in England ein sog. Grant of Representation (Grant of Probate bei Vorliegen eines Testaments oder Letters of Administration ohne Testament). Weitere Unterschiede sind wie oben aufgezeigt, dass es keinen Pflichtteil im englischen Erbrecht gibt. Der Kreis der Nachlassbegünstigten ohne Testament ist in England viel kleiner als in Deutschland, in vielen Fällen erbt die englische Krone. Steuerlich ist zu beachten, dass in England der Nachlass erbschaftssteuerpflichtig ist und nicht der Beneficiary, es gibt also keine Personen-Erbschaftsbesteuerung.
1. Wer erbt nach englischem Recht, wenn kein Testament vorhanden ist?
2. Wie errichtet man nach englischem Erbrecht ein Testament?
3. Gibt es nach englischem Recht einen Pflichtteil?
4. Werden in England lebzeitige Schenkungen bei der Erbschaftssteuer berücksichtigt?
5. Wie setzt man sein Erbrecht in England durch?
6. Wie erfolgt in England die Eintragung des Erben im Grundbuch?
7. Wann fallen Erbschaftsteuern an und wie hoch sind sie?
8. Nachlass ausschlagen oder Haftung beschränken: Was tun bei überschuldetem Erbe in England?
9. Wie finde ich einen Rechtsanwalt für meinen Erbfall mit Bezug zu England?
10. Welche Besonderheiten weist das englische Erbrecht gegenüber dem deutschen Erbrecht auf?