- Wer wird Erbe ohne Testament/letztwillige Verfügung?
- Wie errichte ich ein Testament/eine letztwillige Verfügung und welche Kosten entstehen dabei?
- Können beliebig Personen zu Erben eingesetzt oder enterbt werden - gibt es Pflichtteils-/Noterbenrechte?
- Kann der Pflichtteil durch lebzeitige Rechtsgeschäfte umgangen werden?
- Wie erlange ich meine Rechtsstellung als Erbe und wie setze ich meine Erbrechte durch?
- Immobilie und Erbfall - wie bekomme ich einen Erbnachweis, wie kann das Grundbuch berichtigt/der Erbe im Grundbuch eingetragen werden und was kostet das?
- Wann fallen Erbschaftsteuern an und wie hoch sind sie?
- Was muss ich tun, wenn ich kein Erbe werden oder die Haftung beschränken will, weil der Nachlass überschuldet oder unübersichtlich ist?
- Was kostet ein Rechtsanwalt und wie finde ich einen?
- Welche erbrechtlichen Besonderheiten gibt es in Deutschland zu beachten?
1. Wer wird Erbe ohne Testament/letztwillige Verfügung?
a. Gesetzliche Erbfolge
Wenn ein Erblasser verstirbt, ohne eine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) errichtet zu haben, gibt das Gesetz vor, wer Erbe geworden ist. In diesem Fall wird auch von gesetzlicher Erbfolge gesprochen.
b. Anzuwendendes Recht (Erbstatut)
Um das anzuwendende Erbrecht zu bestimmen, ist zunächst zu klären, wo der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dieser ist nach Artikel 21 der EU Erbrechtsverordnung (EUErbVO) maßgeblich für die Bestimmung des anzuwendenden (materiellen) Erbrechts. Hat ein Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder hat er als im Ausland lebender Deutscher eine Rechtswahl in das deutsche Erbrecht getroffen, bestimmt sich die gesetzliche Erbfolge nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
c. Ordnungssystem
Das deutsche Erbrecht ist ein Blutsverwandtenerbrecht. Grundsätzlich können daher nur Personen Erben werden, die mit dem Erblasser verwandt sind. Nicht alle Blutsverwandten werden aber Erben. Vielmehr schließen nähere Verwandte entferntere Verwandte von der Erbfolge aus. Abkömmlinge des Erblassers gehören der Gruppe der Erben der ersten Ordnung (§ 1924 BGB) an. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, ist zu prüfen, ob die Eltern und/oder deren Abkömmlinge zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers gelebt haben. Sie sind die Erben der zweiten Ordnung (§ 1925 BGB). Die Großeltern und deren Abkömmlinge bilden die Gruppe der Erben der dritten Ordnung (§ 1926 BGB) und so fort. Sind Erben einer niedrigeren Ordnung vorhanden, werden die Erben einer höheren Ordnung von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 1930 BGB).
d. Verteilung des Erbes innerhalb einer Ordnung
Innerhalb einer Erbengruppe gilt das Stammesprinzip. Jedes Kind bzw. jeder (Groß-)Elternteil des Erblassers begründet einen eigenen Stamm. Die Stämme werden erbrechtlich gleichbehandelt. Sind in der Erbengruppe der ersten Ordnung Enkelkinder vorhanden, werden diese von der Erbfolge ausgeschlossen, wenn deren mit dem Erblasser verwandte Elternteil (Häuptling seines Stammes) zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch lebt. Dieser repräsentiert sozusagen seinen Stamm und verdrängt die eigenen Kinder von der Erbfolge. Nur dann, wenn der Repräsentant (Häuptling) seines Stammes vorverstorben ist, treten dessen Kinder wiederum zu gleichen Teilen an dessen Stelle. Entsprechendes gilt auch in den entfernteren Erbfolgeordnungen.
Beispiel: Der Erblasser E hat drei Kinder K1, K2 und K3. Diese haben teilweise eigene Kinder, nämlich K1 die Enkel E1 und E2, K2 hat keine Kinder und K3 hat das Enkelkind E3. Das Kind K1 ist zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorverstorben. Erben werden deswegen die Enkelkinder E1 und E2 zu jeweils einem Sechstel und die Kinder K2 und K3 zu jeweils einem Drittel. Das Enkelkind E3, obwohl es genauso nah verwandt ist mit dem E, wie seine Cousins E1 und E2 geht leer aus.
e. Ehegattenerbrecht
Ehegatten sind mit dem Erblasser nicht verwandt, haben aber ein Sondererbrecht. Die Ehegattenerbquote ist nicht immer gleich, sondern hängt davon ab, in welchem Güterstand der Erblasser mit dem Ehegatten gelebt hat und welche Blutsverwandten des Erblassers vorhanden sind. Sind Erben der ersten Ordnung vorhanden, ist die Erbquote des überlebenden Ehegatten geringer, wie wenn nur Erben der zweiten oder dritten Ordnung vorhanden sind. Die Ehegattenerbquoten neben Abkömmlingen ergeben sich aus §§ 1931, 1371 BGB und können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden:
f. Erbrecht des Staates
Gibt es keine Verwandten und Ehegatten, erbt nach § 1936 BGB der Staat (Fiskus). Im deutschen Erbrecht gibt es also immer einen Erben.
2. Wie errichte ich ein Testament/eine letztwillige Verfügung und welche Kosten entstehen dabei?
a. Errichtung privat oder notariell?
Im deutschen Recht gibt es - Nottestamente ausgenommen – zwei Möglichkeiten letztwillige Verfügung zu errichten, nämlich privat oder öffentlich. Die davon ausgehenden Rechtsfolgen sind gleich.
Öffentliche letztwillige Verfügungen sind bei einem Notar zu errichten. Bei diesem können nicht nur Testamente (= einseitige Anordnungen), sondern sogar Verträge über ein Erbrecht geschlossen werden (hierzu unter Ziffer 10 Besonderheiten mehr).
Testamente können hingegen nicht nur öffentlich bei einem Notar, sondern auch privat errichtet werden. Damit private Testamente formwirksam sind, müssen diese vom Erblasser komplett selber mit der Hand geschrieben und anschließend unterschrieben werden. Sinnvollerweise sollten Ort und Datum im Testament angegeben werden. Ehegatten können auch zusammen ein Testament errichten. Es reicht hierbei aus, wenn einer der Ehegatten das Testament komplett mit der Hand schreibt und beide anschließend unterschreiben (§ 2267 BGB).
b. Testierfähigkeit
Grundsätzlich muss der Testierende volljährig sein, wenn er eine letztwillige Verfügung errichten will. Eine Ausnahme besteht für Minderjährige, die bereits das 16. Lebensjahr vollendet haben. Sie können ein Testament errichten, müssen dann aber zu einem Notar (§§ 2229, 2233, 2275 BGB). Einen Erbvertrag können Minderjährige nicht abschließen.
c. Testierfreiheit
Das Gesetz erlaubt dem Testierenden, jede ihm genehme Person zu seinem Erben einzusetzen. Er ist völlig frei, seinen Rechtsnachfolger zu bestimmen. Dies wird Testierfreiheit genannt. Die Testierfreiheit kann aber verloren gehen oder begrenzt sein, wenn zuvor ein Erbvertrag geschlossen oder ein Ehegattentestament mit wechselbezüglichen Verfügungen errichtet wurde. Denn letztere können nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten bindend werden. Wer eine letztwillige Verfügung errichten möchte, muss also immer erst prüfen, ob er seine Testierfreiheit nicht bereits durch einen Erbvertrag oder ein Ehegattentestament verloren hat.
d. Kosten
Wer sein Testament selber errichtet (handschriftlich und unterschrieben), muss dafür nichts bezahlen. Anders ist dies bei der öffentlichen Errichtung einer letztwilligen Verfügung bei einem Notar. Hier gibt es eine gesetzliche Gebührenordnung im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG), die die Höhe der Kosten bestimmt. Je nachdem, ob nur eine Person handelt oder gleiche mehrere, entstehen abhängig vom Wert des Vermögens/Nachlasses, über das eine letztwillige Regelung getroffen wird, Gebühren. Je höher der Wert, desto höher die Gebühren. Eine Vereinbarung über die Höhe der Gebühren kann mit dem Notar nicht getroffen werden.
Wird ein Rechtsanwalt eingeschaltet, um eine letztwillige Verfügung zu entwerfen - der Rechtsanwalt selber kann aber keine Beurkundung vornehmen, sondern nur einen Entwurf fertigen, wird in der Regel vor Mandatserteilung eine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung getroffen, wobei es dabei verschiedene Vergütungsmodelle gibt (Pauschalen, Stundensatz oder eine Kombination aus beidem). Wird keine Vereinbarung getroffen, gilt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das bei Verbraucherberatungen für Testamentsentwürfe eine Begrenzung auf maximal 250,00 € netto vorsieht. Nur bei der Mitwirkung an der Erstellung von Erbverträgen kann der Anwalt nach dem RVG höhere Gebühren abrechnen, die maßgeblich vom Vermögen des Verfügenden abhängen.
e. Verwahrung beim Amtsgericht
Um sicherzustellen, dass letztwillige Verfügungen nach dem Tod aufgefunden, vom Nachlassgericht eröffnet und nach der Errichtung nicht mehr verfälscht werden, besteht die Möglichkeit, diese in die amtliche Verwahrung des Nachlassgerichts (= Amtsgericht, in dessen der Testierende wohnt) zu geben. Hierdurch entsteht eine einmalige Gebühr von 75,00 € beim Verwahrgericht und 15,50 € für die Registrierung im Zentralen Testamentsregister je testierender Person. Es spielt keine Rolle, ob die letztwillige Verfügung privat oder öffentlich errichtet wurde. Beide Arten können nach der Errichtung in die Verwahrung gegeben werden.
3. Können beliebig Personen zu Erben eingesetzt oder enterbt werden - gibt es Pflichtteils-/Noterbenrechte?
Es kann jede beliebige Person, auch eine juristische Person wie eine Gesellschaft oder Stiftung, zum Erben eingesetzt werden. Einige Personen sind aber im Erbfall durch das Gesetz in Form des Pflichtteilsrechts abgesichert. Die bestehende Testierfreiheit im deutschen Erbrecht wird also wirtschaftlich durch das Pflichtteilsrecht beschränkt.
a. Pflichtteilsberechtigung
Bestimmte, dem Erblasser besonders nahestehende Personen können zwar von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und damit juristisch gesehen „enterbt“ werden, da sie dann nicht Rechtsnachfolger und damit seine Erben werden, ihnen steht aber eine wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass als Pflichtteil zu. Zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören nur Abkömmlinge, Ehegatten und die Eltern des Erblassers, aber nur, wenn sie enterbt sind, also von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurden (§ 2303 BGB). Geschwister, Neffen oder Nichten sind nicht pflichtteilsberechtigt.
b. Pflichtteil als schuldrechtlicher Anspruch
Der Pflichtteilsanspruch ist ein auf Geld gerichteten Anspruch, der grundsätzlich gegen den Erben gerichtet ist. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB). Der Anspruch ist sofort mit dem Tod des Erblassers fällig. Er beträgt wertmäßig die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbes des Pflichtteilsberechtigten. Das Pflichtteilsrecht wirkt nicht unmittelbar (dinglich), gewährt also kein Noterbenrecht, sondern nur eine schuldrechtliche Beteiligung am Wert des Nachlasses bezogen auf die Sekunde des Todes des Erblassers. Ob der Nachlass über liquide Geldmittel verfügt, etwa, wenn nur eine Immobilie vorhanden wäre, spielt für die Verpflichtung, den Pflichtteil auszubezahlen, keine Rolle. Der Pflichtteilsberechtigte hat keine Mitsprache- und Mitwirkungsrechte. Er kann nur Auskunfts- und Wertermittlungnach § 2314 BGB vom Erben erlangen.
Beispiel: Ein verwitweter Erblasser E hat zwei Kinder und setzt seine Tochter T zur Alleinerbin ein. Sein Nachlass hat einen Wert von 1 Mio. €. Nach dem Tod des Vaters wendet sich der Sohn S an seine Schwester T und verlangt von ihr den Pflichtteil. Da er nach dem Gesetz zur Hälfte Erbe geworden wäre, beträgt sein Pflichtteil ¼ des Nachlasswertes, also 250.000 €.
c. Verjährung des Pflichtteils
Kümmert sich der Pflichtteilsberechtigte nicht um Geltendmachung seines Anspruches, verjährt er in 3 Jahren. Die Verjährungsfrist läuft aber nicht mit dem Tod des Erblassers an, sondern erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers und seiner Enterbung Kenntnis erlangt hat (§ 199 I BGB). Spätestens nach 30 Jahren ist der Anspruch aber verjährt. Nur in einer besonderen Ausnahmekonstellation des Pflichtteilsergänzungsanspruches, der mangels Masse nicht aus dem Nachlass bezahlt werden kann und deswegen nach § 2329 BGB gegen den Letztbeschenkten gerichtet ist, beträgt die Verjährungsfrist genau 3 Jahre. Sie berechnet sich dann ab dem Tod des Erblassers und ist unabhängig von der Kenntnis des Anspruchs (§ 2332 BGB).
4. Kann der Pflichtteil durch lebzeitige Rechtsgeschäfte umgangen werden?
Da der Pflichtteil ein Bruchteil dessen ist, was der Nachlass im Zeitpunkt des Todes des Erblassers wert ist, wird häufig von diesem versucht, den Pflichtteil dadurch zu verringern, dass von ihm bereits zu Lebzeiten Zuwendungen an Dritte gemacht werden. Lebzeitige Zuwendungen des Erblassers sind aber nur unter bestimmten Voraussetzungen geeignet, den Pflichtteil zu schmälern. Pflichtteilsrechtlich werden die Zuwendungen so behandelt, wie wenn sie nicht erfolgt wären. Sie werden gedanklich dem Nachlass hinzugerechnet und dann aus diesem erhöhten Wert der Pflichtteil errechnet. Es wird sozusagen so getan, wie wenn es die Zuwendung nicht gegeben hätte und sie sich deswegen noch im Nachlass befindet. Dieser gedankliche (fiktive) Pflichtteil wird dann mit dem Pflichtteil verglichen, der sich aus dem tatsächlichen Nachlasswert ergibt. Die Differenz zwischen dem tatsächlichen und fiktiven Pflichtteil wird Pflichtteilsergänzung genannt.
Beispiel: Im obigen Beispiel hatte Erblasser E zusätzlich noch ein Konto bei der Deutschen Bank im Werte von 400.000,00 €. Mit der Bank vereinbarte er aber mittels Vertrag zugunsten Dritter, dass seine Tochter T mit seinem Tod Inhaberin des Kontos wird. Dies ist, rechtlich gesehen, eine Schenkung, die dazu führt, dass das Konto nicht in den Nachlass fällt. Dem Sohn S steht wieder ¼ des Nachlasswertes von einer 1 Mio. €, mithin 250.000 € zu. Die Schenkung an die Tochter wird nun aber gedanklich dem Nachlass hinzugerechnet, so dass sich ein fiktiver Wert des Nachlasses in Höhe von 1,4 Mio. € errechnet. Daraus errechnet sich ein fiktiver Pflichtteil von 350.000 €. Die Differenz von diesem fiktiven zum tatsächlichen Pflichtteil in Höhe von 100.000 € wird Pflichtteilsergänzung genannt und muss ebenfalls von T aus dem Nachlass an S bezahlt werden. S erhält also einen Pflichtteil von 250.000 € und zusätzlich eine Pflichtteilsergänzung in Höhe von 100.000 €, insgesamt also 350.000 €, wie wenn es keine Schenkung in der Sekunde des Todes gegeben hätte.
Nicht jede Zuwendung des Erblassers vor seinem Tod löst eine Pflichtteilsergänzung aus. Zuwendungen des Erblassers können nach § 2325 BGB nur berücksichtigt werden, wenn sie entweder
- in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall erfolgt sind, wobei dann der Wert der Schenkung für jedes Jahr, das zwischen der Schenkung und dem Erbfall liegt, um 10 % abgeschmolzen wird, oder
- die Schenkung des Erblassers während seiner Ehe an den Ehegatten erfolgt ist, oder
- sich der Erblasser bei der Zuwendung den Nutzen am Geschenk vorbehalten hat.
In den beiden letztgenannten Fällen erfolgt die Berücksichtigung ohne zeitliche Beschränkung. Da die 10-Jahresfrist nicht läuft, erfolgt auch keine Abschmelzung des Schenkungswerts.
Beispiel: Im vorherigen Fall hat die Tochter T neben dem Konto bei der Deutschen Bank 5,5 Jahre vor dem Tod noch weitere 200.000 € geschenkt bekommen. Außerdem hat der Erblasser E 12 Jahre vor seinem Tod an seine nichteheliche Lebensgefährtin eine Wohnung unentgeltlich übertragen, in der er mit ihr zusammenwohnte sich daran aber ein Wohnungsrecht vorbehalten. Der Wert der Wohnung war im Zeitpunkt der Schenkung viel höher als im Zeitpunkt seines Todes. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch einen Wert von 500.000 €. Der tatsächliche Nachlass hat einen Wert von 1 Mio. €. In den fiktiven Nachlass fallen nun wieder die 400.000 €, die in der Sekunde des Todes auf T übergegangen sind, außerdem die Zuwendung von 200.000 € an T, aber um 50 % auf 100.000 € abgeschmolzen (eigentlich müsste der Betrag noch inflationsbereinigt auf den Todestag umgerechnet werden) und der Wert der verschenkten Wohnung von 500.000 € in voller Höhe, da wegen des Nutzungsvorbehalts keine Frist lief. Der fiktive Gesamtnachlass beträgt also 2 Mio. €. ¼ hiervon sind 500.000 €, die der Sohn erhält, 250.000 € als Pflichtteil und 250.000 € als Pflichtteilsergänzung.
Schenkungen, die länger als 10 Jahre zurückliegen und weder an den Ehegatten, noch unter Nutzungsvorbehalt erfolgen, werden pflichtteilsergänzungsrechtlich nicht mehr berücksichtigt.
5. Wie erlange ich meine Rechtsstellung als Erbe und wie setze ich meine Erbrechte durch?
a. Gesamtrechtsnachfolge
Nach § 1922 BGB tritt die Erbfolge zur Gänze in der Sekunde des Todes des Erblassers ein, was auch Universalsukzession genannt wird. Es bedarf keiner gesonderten Erklärung des Erben oder einer Handlung des Gerichts. Das Gericht muss also nicht erst letztwillige Verfügungen eröffnen oder den Nachlass auf den Erben übertragen, wie in anderen Ländern. Der Erbe tritt ohne weiteres Zutun von selbst und zur Gänze als Rechtsnachfolger in die Rechtsposition des Erblassers ein (sog. Vonselbsterwerb). Der Erbe wird quasi einfach nur durch den Erben ausgetauscht. Abgesehen von höchstpersönlichen Rechten und ggf. Beteiligungen des Erblassers im Gesellschaftsrecht gilt: „Alles was der Erblasser durfte, darf jetzt der Erbe, alles was der Erblasser musste, muss jetzt auch der Erbe.“
b. Erbnachweis
Da die Erbfolge von allein eintritt, stellt sich die Frage, wie diese im Rechtsverkehr gegenüber Dritten, insbesondere öffentlichen Registern, dem Grundbuchamt oder Banken nachgewiesen werden kann. Wer sich im Rechtsverkehr als gewillkürter/testamentarischer Erbe legitimieren will, kann dies grundsätzlich mit dem Eröffnungsprotokoll nebst eröffneter letztwilliger Verfügung tun, wenn sich daraus die Erbfolge eindeutig entnehmen lässt.
Beispiel: Erblasser E errichtet ein handschriftliches Testament und setzt seine Frau F zur Alleinerbin ein. Will diese als Erbin auf das Konto des E bei der Bank zugreifen, muss sie nur das Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts nebst eröffnetem Testament der Bank vorlegen.
Soll damit aber das Grundbuch berichtigt werden, geht das nur, wenn es sich bei der letztwilligen Verfügung um eine öffentliche (notarielle) Urkunde handelt, vgl. § 35 GBO.
Beispiel: Im vorherigen Beispiel will F das Haus von E nach dessen Tod im Grundbuch auf sich umschreiben lassen. Das Eröffnungsprotokoll nebst privatem Testament reicht hierfür nicht, da es sich bei der letztwilligen Verfügung um eine private Urkunde handelt, was für das in Deutschland sehr förmliche Grundbuchrecht nicht ausreicht.
Gibt es keine letztwillige Verfügung oder keine, die eine eindeutige Erbeinsetzung enthält oder werden an den Nachweis, wie im Grundbuchrecht, besondere Anforderungen gestellt, wird ein amtlicher Erbnachweis benötigt. Es kommen dann zwei Erbnachweise in Betracht: Ein Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ), letzteres aber nur, wenn Auslandsvermögen vorhanden ist. Beide Nachweise werden nur auf Antrag vom Nachlassgericht erteilt. Der Antrag kann zwar formlos gestellt werden, also auch privatschriftschriftlich, allerdings muss beim Nachlassgericht oder bei einem Notar eine eidesstattliche Versicherung abgegeben werden, wonach dem Antragsteller keine anderen Umstände als im Antrag benannt, bekannt sind. Für einen rein nationalen Nachlass in Deutschland kann kein ENZ beantragt werden. Das nachlassgerichtliche Verfahren richtet sich nach dem Familienverfahrensgesetz (FamFG, §§ 352 ff.), soweit die EUErbVO und das Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG, §§ 33 ff.) nichts anderes regelt.
Vom Erbschein und dem ENZ gehen Vermutungs-, Beweis- und Gutglaubenswirkungen aus. Auch wenn die Erbnachweise ähnlich sind, gibt es doch Unterschiede. Der Erbschein dient ausschließlich dem Nachweis der Stellung als Erbe. Im ENZ kann nicht nur die Erbenstellung, sondern auch die Stellung als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter nachgewiesen werden. Es gilt auch nur befristet. Darüber kann sich auch ein Vermächtnisnehmer legitimieren, wenn sich aus der letztwilligen Verfügung abweichend vom Deutschen Erbrecht eine unmittelbare Berechtigung am Nachlass ergibt (sog. Vindikationslegat). Kostenrechtlich entstehen bei Gericht wegen der vergleichbaren Aufwands die gleichen Kosten, die entscheidend vom Wert des Nachlasses abhängen. Je höher der Wert des Nachlasses desto höher die entstehenden Kosten. Im Verfahren auf Erlangung eines Erbnachweises vor dem Nachlassgericht besteht kein Anwaltszwang.
c. Erbenfeststellung
Streiten mehrere Personen darüber, wer Erbe geworden ist, kann dies entweder in einem Erbscheinverfahren beim Nachlassgericht geklärt werden oder aber Feststellungsklage im Zivilprozess gegen die Person erhoben werden, die das begehrte Erbrecht in Frage stellt. In der Regel wird der Streitwert dabei über 5.000,00 € hinausgehen, so dass der Prozess beim Landgericht geführt wird. Für eine Feststellungsklage beim Landgericht herrscht Anwaltszwang. Im Zivilprozess gilt die Zivilprozessordnung (ZPO) und nicht das FamFG. Es bestehen also andere Verfahrensgrundsätze. Wesentlichster Unterschied besteht darin, dass in Verfahren nach dem FamFG vom Gericht Amtsermittlung betrieben werden muss, während im Zivilprozess die Parteimaxime herrscht (nur das, was von den Parteien beantragt wird, muss das Gericht machen, wenn es für den Prozess entscheidungsrelevant ist).
d. Erbengemeinschaft
Werden mehrere Personen Erben, geht mit dem Tode des Erblassers dessen gesamter Nachlass kraft Gesetzes unmittelbar und ungeteilt auf die Erbengemeinschaft über. Der Nachlass wird gemeinschaftliches Vermögen aller Miterben. Es entsteht eine Gesamthandsgemeinschaft. Hierbei handelt es sich um ein Sondervermögen, das von dem Eigenvermögen der einzelnen Miterben zu unterscheiden ist. Erst was der Miterbe infolge der Auseinandersetzung erlangt, wird Bestandteil seines eigenen Vermögens. Miterben können über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen (§ 2040 BGB). Jeder Miterbe kann jedoch über seinen Anteil am gesamten Nachlass verfügen, ihn zum Beispiel veräußern oder verpfänden (§ 2033 BGB). Unzulässig ist die Verfügung des Miterben über seinen Anteil an einem einzelnen Nachlassgegenstand. Diesen gibt es rechtlich nicht.
Beispiel: Der verwitwete Erblasser E hat ein Haus, mehrere Bankkonten und 3 Kinder. Er stirbt und hat kein Testament, weswegen seiner Kinder zu jeweils 1/3 in Erbengemeinschaft seine Erben werden. Ein Kind möchte „sein Drittel“ am Haus an einen Freund verkaufen. Dies geht nicht, da das Haus der Erbengemeinschaft gehört, an der das Kind nur beteiligt ist. Es kann allenfalls seinen Anteil an der Erbengemeinschaft verkaufen, wobei in diesem Fall aber die anderen Erben ein Vorkaufsrecht haben (§ 2034 BGB).
Die Verwaltung erfolgt gemeinschaftlich, wobei in der ordnungsgemäßen Verwaltung ein Mehrheitsprinzip (nach Wertanteilen nicht Kopfteilen) gilt. Notwendige Maßnahmen der Verwaltung darf der Miterbe auch alleine vornehmen (§§ 2038, 745 BGB).
e. Erbteilung/Erbauseinandersetzung
Grundsätzlich kann jeder Miterbe jederzeit nach § 2042 BGB die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie groß sein Erbteil ist. Die Auseinandersetzung kann beliebig erfolgen, wenn alle Miterben mitmachen und damit einverstanden sind. Können sich die Miterben hinsichtlich der Nachlassauseinandersetzung nicht einigen, sind die gesetzlichen Bestimmungen für die Auseinandersetzung anzuwenden. Das bedeutet, dass zunächst sogenannte Teilungsreife hergestellt werden muss, sprich der Nachlass in einen Zustand umgewandelt werden muss, der entsprechend den Erbteilen dann aufgeteilt werden kann. Da Gegenstände oder unbeweglicher Nachlass sprichwörtlich nicht entsprechend der Erbteile zersägt werden kann, muss also erst alles verkauft sein, so dass im Nachlass nur noch Geld vorhanden ist, das entsprechend der Erbteile aufgeteilt werden kann. Können sich die Miterben bei der gegenständlichen Verteilung der beweglichen Sachen nicht einigen, kann jeder Miterbe die Auseinandersetzung dadurch betreiben, dass diese nach den Vorschriften über den Pfandverkauf durch einen Gerichtsvollzieher veräußert werden. Bei Nachlassgrundstücken erfolgt die Versilberung durch Teilungsversteigerung des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Immobilien gelegen sind. An die Stelle des versteigerten Nachlasses tritt der Veräußerungserlös, dessen Verteilung dann wiederum einem gesonderten Erbauseinandersetzungsverfahren vorbehalten ist. Vor Eintritt der Teilungsreife kann gegen den Willen eines Miterben keine Teilauseinandersetzung verlangt werden.
Wenn nach der Versilberung des kompletten Nachlasses sogenannte Teilungsreife eingetreten ist, muss, wenn dann immer noch keine einvernehmliche Verteilung des Nachlassvermögens unter den Erben möglich ist, ein Teilungsplan aufgestellt werden, der die Verteilung des gesamten Nachlasses an die Miterben beinhaltet. Kommt keine Einigung der Miterben über diesen Plan zustande, ist jeder Miterbe berechtigt, einer Erbauseinandersetzungsklage (§ 2042 BGB) einzureichen. Diese ist dann gegen den Miterben zu erheben, der die Zustimmung zu dem Teilungsplan verweigert hat. Alles in allem also ein sehr langer und aufwändiger Weg, der in der Regel Jahre in Anspruch nimmt.
f. Vermächtnis
Will der Erblasser nur einzelne Vermögenspositionen anderen Personen als dem oder den Erben zuwenden, kann er in seinem Testament ein Vermächtnis anordnen. Vermächtnisse wirken anders als die Erbeinsetzung nicht unmittelbar (dinglich), sondern verschaffen dem Vermächtnisnehmer nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses. Der/Die Erben werden infolge der Universalsukzession immer zunächst Eigentümer der vermachten Sache, müssen diese dann aber an den Vermächtnisnehmer übereignen, wenn dies von ihm gefordert wird.
Beispiel: Erblasser E setzt seine beiden Kinder zu Erben ein und bestimmt in seinem Testament, dass seine Lebensgefährtin im Wege des Vermächtnisses eine Wohnung in München erhalten soll. Mit dem Tod von E werden seine Kinder Eigentümer der Wohnung und müssen anschließend mit der Lebensgefährtin zu einem Notar, um die Wohnung auf diese zu übereignen. Erst mit der Eintragung der Lebensgefährtin im Grundbuch wird sie Eigentümerin.
6. Immobilie und Erbfall - wie bekomme ich einen Erbnachweis, wie kann das Grundbuch berichtigt/der Erbe im Grundbuch eingetragen werden und was kostet das?
a. Erbnachweis gegenüber Grundbuchamt
Stirbt der Erblasser und ist Eigentümer einer Immobilie wird in Sekunde seines Todes sein Erbe deren Eigentümer und das Grundbuch unrichtig, da dort noch eine Person eingetragen ist, die es nicht mehr gibt. Das Grundbuch muss deswegen berichtigt werden. Für die Berichtigung des Grundbuches ist § 35 GBO maßgeblich. Danach kann der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden. Beruht die Erbfolge allerdings auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins oder des Europäischen Nachlasszeugnisses die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden. Wenn das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen hält, kann es aber die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses verlangen. Liegt der Erbnachweis vor, muss er beim zuständigen Grundbuchamt vorgelegt werden.
b. Zuständiges Gericht und Antragsinhalt
Erbschein bzw. ENZ müssen beim Amtsgericht beantragt werden, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 23a II Nr. 2 GVG und § 343 FamFG (Erbschein), § 34 III, IV IntErbRVG (ENZ)). Welchen Inhalt der Antrag haben muss, kann unmittelbar den Vorschriften der §§ 352 ff. FamFG (Erbschein) und Art. 65 EuErbVO (ENZ) entnommen werden. Die Angaben im Antrag müssen in der Regel an Eides statt versichert werden (§§ 352 III FamFG, 36 II IntErbRVG).
c. Kosten
Die entstehenden Kosten des Gerichts für den Erbschein bzw. das ENZ sind im GNotKG geregelt. Die Kosten der anwaltlichen Vertretung bestimmen sich nach dem RVG, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wurde.
Die maßgebenden Gerichtsgebühren im Erbnachweisverfahren richten sich nach der Tabelle B des GNotKG. Es entstehen im Verfahren zwei Gebühren, eine für die in der Regel notwendige eidesstattliche Versicherung (KV Nr. 23300 zum GNotKG) und eine für den eigentlichen Erbnachweis (KV Nr. 12210 zum GNotKG). Wird der Antrag vor einer Entscheidung des Gerichts zurückgenommen, reduziert sich die letztgenannte Gerichtsgebühr auf 0,3 und beträgt höchstens 200 € (KV Nr. 12211 zu GNotKG). Endet das Verfahren ohne die Erteilung des Erbscheins, z. B. weil der Antrag zurückgewiesen wird, ermäßigt sich die Gerichtsgebühr auf 0,5 und beträgt höchstens 400 € (KV Nr. 12212 GNotKG).
Die Kosten der anwaltlichen Vertretung im gerichtlichen Verfahren auf Erlangung eines amtlichen Erbnachweises richten sich nach den in Nr. 3100 ff des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG vorgesehenen Gebühren. Diese sind Mindestgebühren. Sie dürfen vom Anwalt schon aus berufsrechtlichen Gründen nicht unterschritten werden (§ 49b I 1 BRAO).
Die Höhe der Gerichts- und Anwaltsgebühren hängt maßgeblich vom Wert ab, der der anwaltlichen bzw. gerichtlichen Tätigkeit zugrunde liegt. Festgebühren gibt es keine. Grundsätzlich gilt: Je höher der Wert, desto höher sind die Gebühren. Der den Gerichtskosten zugrunde zu legende Wert bestimmt sich nach dem Wert des Aktivnachlasses (§ 40 GNotKG). Maßgeblich für die Bestimmung der anwaltlichen Gebühren ist das wirtschaftliche Interesse des Mandanten und nicht automatisch der Wert des Nachlasses.
Beispiel: Drei Geschwister streiten darum, wer Erbe ihres Vaters geworden ist, der einen Nachlass im Wert von 900.000 € hinterlassen hat. Anwalt A vertritt eines der Kinder des Erblassers im Erbscheinverfahren, in dem er einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt hat, der seinen Mandanten neben seinen Geschwistern zu einem Drittel als Erbe ausweisen soll. Das Nachlassgericht erteilt den beantragten Erbschein. Der Wert, der den Gerichtskosten zugrunde gelegt wird, beträgt 900.000 €, der Wert, der für die Berechnung der anwaltlichen Vertretung des Kindes maßgeblich ist, beträgt 300.000 €.
Die Berichtigung des Grundbuches nach dem Erbfall als solches ist kostenfrei, wenn der Antrag auf Berichtigung innerhalb von 2 Jahren nach dem Tod des Erblassers beantragt wird (KV Nr. 14110 Anmerkung 1 GNotKG).
7. Wann fallen Erbschaftsteuern an und wie hoch sind sie?
In Deutschland gibt es ein einheitliches Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Schenkungen und der Erwerb von Todes wegen werden steuerlich grundsätzlich gleichbehandelt.
a. Steuerpflicht
Eine unbeschränkte Steuerpflicht gegenüber dem deutschen Fiskus liegt vor, wenn eine der am Erbfall beteiligten Personen steuerlich als Inländer gilt (§ 2 I Nr. 1 und 2 ErbStG). Dies ist z.B. dann der Fall, wenn zur Zeit des Erbfalls eine der beteiligten Personen im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sie deutsche Staatsangehörige ist und sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten hat, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, oder aber zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stand und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse bezogen hat. Entsprechendes gilt für juristische Personen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland. Wenn kein Inländer im Sinne der Steuervorschriften beteiligt ist, wird auch in Deutschland befindliches Vermögen (Inlandsvermögen) der Besteuerung unterworfen. Insoweit besteht eine beschränkte Steuerpflicht (§ 2 I Nr. 3 ErbStG).
Beispiel: Ein seit 20 Jahren dauerhaft im Ausland lebender Erblasser, der seitdem weder Wohnsitz noch sonstigen Bezug zu Deutschland hat, ist Eigentümer einer von seinen Eltern geerbten Immobilie. Er verfügt im Übrigen nur noch über im Ausland befindliches Vermögen. Er setzt sein ebenfalls im Ausland lebendes Kind, das eine ausländische Staatsangehörigkeit hat, zu seinem Erben ein. Hier unterliegt nur die in Deutschland befindliche Immobilie der deutschen Erbschaftbesteuerung. Das Restvermögen spielt für die deutsche Erbschaftsteuer keine Rolle.
b. Freibeträge
Nicht alle Erwerbe von Todes wegen lösen Erbschaftsteuern aus, wenn eine Steuerpflicht besteht, da es Freibeträge gibt. Für die Fälle der unbeschränkten Steuerpflicht bestehen nach § 16 ErbStG die folgenden Freibeträge und Steuerklassen.
Hat der Erblasser innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall bereits Zuwendungen an den Erwerber gemacht, wird der frühere Erwerb und ein dabei in Anspruch genommener Freibetrag berücksichtigt (§ 14 ErbStG). Der Freibetrag besteht also innerhalb von 10 Jahren nur einmal, wobei lebzeitige Schenkungen und Erwerb von Todes wegen zusammengerechnet werden.
Beispiel: Der in Deutschland lebende Erblasser E schenkt seinem ebenfalls dort lebenden Sohn S 6 Jahre vor dem Tod 300.000 €. Als E stirbt wird S dessen Alleinerbe und erbt 400.000 €. Da noch keine 10 Jahre seit der Schenkung verstrichen sind, wird die Schenkung und das Erbe zusammengezählt. Von diesem Gesamterwerb in Höhe von 700.000 € wird der Freibetrag von 400.000 € in Abzug gebracht, so dass S im Erbfall noch 300.000 € versteuern muss.
c. Steuersätze
Die Sätze für die Erbschaftsteuer sind unterschiedlich und unterliegen der Progression. Sie hängen zum einen vom persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser (Steuerklasse) und zum anderen dem Wert des erbrechtlichen Erwerbs ab. Je höher der Wert des Erwerbs desto höher auch der Steuersatz. Der Steuereingangssatz hängt dabei davon ab, in welche Steuerklasse der Erwerber fällt. Die Steuerklasse kann der vorstehenden Tabelle entnommen werden. Die Steuersätze ergeben sich aus der folgenden Tabelle:
Beispiel: Im obigen Beispiel beträgt der zu versteuernde Erwerb von S 300.000 €. Als Kind fällt S in die Steuerklasse I. Der Steuersatz beträgt 11 %. Er muss also 33.000 € Erbschaftsteuer bezahlen. Wäre S nur der Neffe von E, fiele er in die Steuerklasse II, weswegen der Steuersatz nicht 11 %, sondern 20 % betrüge.
d. Steuerbefreiung/privilegiertes Vermögen
Bestimmte Vermögenswerte werden im Erbfall von der Besteuerung ausgenommen oder aber begünstigt. So wird beispielsweise die vom Erblasser im Zeitpunkt seines Todes selbst bewohnte Immobilie (Familienheim) überhaupt nicht besteuert, wenn diese vom überlebende Ehegatten oder einem Kind (bei diesem gilt anders als bei Ehegatten eine Flächenbegrenzung von 200 m²) erworben und anschließend bewohnt wird. Zieht der Erwerber aber innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren nach dem Tod des Erblassers freiwillig wieder aus, entfällt das Familienheimprivileg und die Immobilie wird als Erwerb von Todes wegen nachbesteuert (§ 13 I Nr. 4b und c ErbStG). Betriebsvermögen (§§ 13 a, b ErbStG) kann von der Besteuerung vollständig ausgenommen oder begünstigt sein, wenn spezielle Anforderungen erfüllt sind. Auch zu Wohnzwecken vermietete Immobilien (§ 13d ErbStG) werden beim Vererben durch einen Wertabschlag von 10 % steuerlich privilegiert.
8. Was muss ich tun, wenn ich kein Erbe werden oder die Haftung beschränken will, weil der Nachlass überschuldet oder unübersichtlich ist?
Aufgrund des erbrechtlichen Vonselbsterwerbs im deutschen Erbrecht tritt der Erbe rechtlich, ob er will oder nicht, in der Sekunde des Todes des Erblassers ungefragt in dessen Fußstapfen. Dies ist nicht immer gewünscht oder empfehlenswert, so etwa, wenn der Nachlass überschuldet oder undurchsichtig und damit haftungsträchtig ist. Es besteht dann die Gefahr, dass der Erbe mit seinem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers aufkommen muss. Wer das vermeiden will, kann dies dadurch erreichen, dass er entweder die Erbschaft ausschlägt oder seine Haftung durch geeignete rechtliche Maßnahmen auf den Nachlass beschränkt.
a. Ausschlagung der Erbschaft
Niemand kann gezwungen werden, eine Erbschaft anzutreten. Lässt der Erbe aber die Ausschlagungsfrist von 6 Wochen bzw. bei bestimmten Auslandsbezügen von 6 Monaten (§ 1944 BGB) verstreichen, gilt die Erbschaft als vom Erben angenommen. Wer nicht Erbe werden will, muss also in dieser Frist selber aktiv werden. Ausnahmsweise gilt hier Schweigen als Erklärung des Erben, nämlich, dass er Erbschaft annehmen möchte. Will er nicht Erbe werden, muss er innerhalb der Ausschlagungsfrist die Ausschlagung erklären. Diese ist formbedürftig. Sie erfolgt entweder durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht oder sie muss in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden und innerhalb der Ausschlagungsfrist beim Nachlassgericht in der entsprechenden Form eingehen. Es reicht nicht aus, dass die Erklärung innerhalb der Frist öffentlich beglaubigt wird. Im Inland erfolgt die Beglaubigung der Erklärung durch den Notar (§ 129 BGB). Um möglichst sicher zu gehen, sollte bei einer Ausschlagungserklärung im Ausland eine deutsche Urkundsperson, wie etwa die deutsche Botschaft oder ein deutsches Konsulat, eingeschaltet werden. Eine Ausschlagungserklärung in fremder Sprache ohne beigefügte Übersetzung in die deutsche Sprache (Art. 184 GVG) wahrt die Ausschlagungsfrist nicht. Wird die Ausschlagung rechtzeitig und in der dafür erforderlichen Form erklärt, gilt der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden als nicht erfolgt und das Gesetz behandelt den Ausschlagenden so, wie wenn er zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits vorverstorben gewesen wäre (§ 1953 BGB).
b. Anfechtung der Ausschlagung/Annahme der Erbschaft
Wer die laufende Ausschlagungsfrist wegen Irrtums versäumt hat oder sich über wesentliche Eigenschaften des Nachlasses (wie des Zusammensetzung und dem daraus resultierenden Wert) geirrt und deswegen die Erbschaft angenommen hat, kann wegen des Irrtums die Annahme der Erbschaft anfechten. Umgekehrt kann aus letzterem Grund die bereits erfolgte Ausschlagung der Erbschaft angefochten werden, wenn der Erbe von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen ist und deshalb die Ausschlagung erklärt hat, sich dann aber später herausstellt, dass der Nachlass werthaltig ist. Die Anfechtung kann nur binnen einer Frist von 6 Wochen ab Kenntnis von dem Irrtum erfolgen, bei bestimmten Auslandsbezügen beträgt die Frist wiederum 6 Monate (§ 1954 BGB). Die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung erfolgt gegenüber dem Nachlassgericht und bedarf der Form der Ausschlagung (§ 1955 BGB), sprich muss also zu Protokoll des Nachlassgerichts erklärt oder öffentlich beglaubigt werden. Die Anfechtung der Annahme führt zur Ausschlagung der Erbschaft mit den Rechtsfolgen des § 1953 BGB. Die Anfechtung der Ausschlagung führt zur Annahme der Erbschaft.
c. Haftungsbeschränkung des Erben
Der Erbe haftet nach § 1967 BGB grundsätzlich für alle Verbindlichkeiten des Erblassers, und zwar unbeschränkt auch mit seinem gesamten Eigenvermögen. Dieser unbeschränkten Haftung kann er sich nicht nur dadurch entziehen, dass er die Erbschaft insgesamt ausschlägt, sondern er kann die Haftung auch ohne Ausschlagung auf den Nachlass nach § 1975 BGB beschränken, indem er beim Nachlassgericht entweder Nachlassinsolvenz (§ 1980 BGB) oder Nachlassverwaltung(§ 1981 BGB) beantragt. Ist keine ausreichende Nachlassmasse vorhanden, die die Kosten des Nachlass(insolvenz)verwalters deckt, kann sich der Erbe auch auf die Einrede der Dürftigkeit nach § 1990 BGB berufen. Wenn der Erbe von einem Nachlassgläubiger verklagt wird, muss er unbedingt dafür Sorge tragen, dass in einem Urteil gegen ihn einen Haftungsvorbehalt nach § 780 ZPO aufgenommen wird. Ansonsten verliert er seine Haftungsbeschränkungsmöglichkeit und haftet persönlich. Die Instrumente der Haftungsbeschränkung sind sehr undurchsichtig und haftungsträchtig. Es sollte davon nur Gebrauch gemacht werden, wenn der Nachlass nicht von vorherein völlig überschuldet erscheint.
9. Was kostet ein Rechtsanwalt und wie finde ich einen?
Die Frage, was ein Rechtsanwalt kostet, lässt sich nicht allgemein beantworten. Wenn keine Vereinbarung getroffen wird, ist die Vergütung des Rechtsanwalts im RVG gesetzlich vorgegeben. Je nach an den Anwalt erteilten Auftrag, der maßgeblich für die Gebühren ist - die tatsächlich entfaltete Tätigkeit ist unbeachtlich, werden unterschiedliche Gebührentatbestände ausgelöst.
a. Beratung
Für Verbraucherberatungen, wie sie im Erbrecht zumeist vorkommen, sieht das Gesetz vor, dass der Rechtsanwalt für ein Erstberatungsgespräch nicht mehr als 190,00 € netto und für eine darüber hinaus gehende Beratung nicht mehr als250,00 € abrechnen darf, wenn er keine anderweitige Vereinbarung getroffen hat. Das Gesetz bestimmt deswegen, dass der Rechtsanwalt auf eine Vergütungsvereinbarung hinwirken soll (§ 34 RVG). Geht die anwaltliche Beratungstätigkeit über ein Erstberatungsgespräch hinaus oder erscheint von Anfang an aufwändig, wird der Rechtsanwalt regelmäßig mit seinem Mandanten zunächst eine Vergütungsvereinbarung treffen, die das Honorar für die Beratung regelt.
b. Außergerichtlich Geschäftstätigkeit
Wird der Rechtsanwalt von seinem Mandanten beauftragt, für ihn nach außen hin außergerichtlich gegenüber Dritten tätig zu werden oder an der Erstellung eines Vertrages mitzuwirken, entsteht nach Nr. 2300 VV RVG eine Geschäftsgebühr. Diese Gebühr ist nicht fest. Sie ist eine Rahmengebühr und hat einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5. Der Anwalt muss nach Beendigung seiner außergerichtlichen Tätigkeit nach vom Gesetz vorgegebenen Kriterien (§ 14 I RVG), insbesondere unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit seiner anwaltlichen Tätigkeit nach billigem Ermessen zunächst den Gebührensatz bestimmen. Bei einem Streit zwischen Mandant und Rechtsanwalt über die Angemessenheit des Gebührensatzes hat die Rechtsanwaltskammer, der der Anwalt angehört, in gerichtlichen Streitigkeiten ein Gutachten zu erstellen und prüft die Angemessenheit der Gebühr.
c. Gerichtliche Tätigkeit
Für die Vertretung des Mandanten in gerichtlichen Verfahren werden gesonderte Gebührentatbestände (Nr. 3100 ff. VV RVG) ausgelöst, die feste Gebührensätze vorsehen und nicht unterschritten werden dürfen.
d. Einigung
Gelingt es dem Rechtsanwalt eine Einigung mit der Gegenpartei zu erreichen, erhält er dafür eine zusätzliche Einigungsgebühr (Nrn. 1000 ff. VV RVG).
e. Höhe der Gebühr
Die tatsächliche Höhe der Anwaltsgebühr richtet sich außerhalb von Beratungen neben dem Gebührensatz bzw. dem ausgelösten Gebührentatbestand nach dem Wert, der der anwaltlichen Tätigkeit zugrunde liegt. Je höher der Wert desto höher ist auch die Gebühr. Informationen zur Anwaltsvergütung finden sich auf der Seite der Bundesrechtsanwaltskammer unter
https://www.brak.de/anwaltschaft/verguetung/
f. Vergütungsvereinbarung
In den meisten Fällen erbrechtliche Tätigkeiten werden zwischen Anwalt und Mandant Vergütungsvereinbarungen getroffen. Diese bedürfen zwingend der Textform (§ 3a RVG). Textform heißt nicht Schriftform. Sie können deshalb per Fax, Kopie oder Mail getroffen werden. Es gibt unterschiedliche Vergütungsmodelle. Häufig werden Stundenvergütungen, ein Mindestgegenstandswert, zusätzliche Festbeträge, Pauschalgebühren für bestimmte Tätigkeiten, der Wegfall von gesetzlichen Anrechnungsbestimmungen oder ähnliches vereinbart. Erfolgshonorare sind grundsätzlich unzulässig und dürfen nur in besonderen Einzelfällen vereinbart werden (§ 4a RVG).
g. Kostenerstattung
In streitigen Zivilprozessverfahren trägt nach § 91 ZPO derjenige die Kosten (Gerichts- und gesetzliche Anwaltskosten), der verliert. Nur dann, wenn der Beklagte keine Veranlassung zu einer Klage gegeben hat, wird davon abgewichen. Obsiegt der Kläger mit seiner Klage nur teilweise, werden die Kosten entsprechend dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen vom Gericht auf die Parteien verteilt. In Erbscheinverfahren trägt erstinstanzlich der Antragsteller die Gerichtskosten unabhängig vom Ausgang und es findet in der Regel keine Kostenerstattung statt.
h. Anwaltsregister
Alle Rechtsanwälte in Deutschland gehören zwingend einer regionalen Rechtsanwaltskammer oder aber, wenn sie eine BGH-Zulassung besitzen, der Rechtsanwaltskammer beim BGH an. Auf den Homepages der regionalen Rechtsanwaltskammern finden sich Suchmasken, mit denen nach bestimmten Kriterien (z.B. Ort oder Fachanwaltstitel) Anwälte gesucht werden können. Bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) findet sich unter
https://www.brak.de/service/verbraucherinformationen/anwaltssuche/
ein bundeseinheitliches Anwaltsverzeichnis, in dem alle in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte, alle zugelassenen europäischen Rechtsanwälte, alle in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte aus anderen Staaten gemäß § 206 BRAO sowie allen verkammerte Rechtsbeistände gefunden werden können.
Die deutschen Mitglieder des Netzwerks Deutscher Erbrechtsexperten sind alle Fachanwälte für Erbrecht und seit Jahren praktisch ausschließlich im Erbrecht und den damit zusammenhängenden Rechtsgebieten tätig. Sie können an allen Zivilgerichten in Deutschland auftreten, nur nicht beim Bundesgerichtshof, für den es eine gesonderte Einzelzulassung bedarf.
10. Welche erbrechtlichen Besonderheiten gibt es in Deutschland zu beachten?
a. Erbverträge
Eine der größten Besonderheiten im deutschen Erbrecht besteht darin, dass auch ein Vertrag über letztwillige Verfügungen getroffen werden kann. Testamente sind in der Regel einseitige Verfügungen und können deswegen jederzeit widerrufen werden. Dies ist bei erbvertragsmäßigen Verfügungen anders. Wenn kein Rücktritt vorbehalten wird, entsteht eine vertragliche Bindung und der Testator verliert seine Testierfreiheit oder wird in dieser eingeschränkt (z. B. bei erbvertraglichen Vermächtnissen). Es können nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Rechts Gegenstand eines Erbvertrags sein (§ 2278 BGB). Der Erbvertrag muss bei einem Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragspartner abgeschlossen werden (§ 2276 BGB). Der Abschluss eines Erbvertrags bedeutet nicht, dass der Verfügende lebzeitig nicht mehr über sein Vermögen oder den Vertragsgegenstand disponieren kann. Er kann nur nicht mehr letztwillig darüber verfügen, soweit die erbvertragliche Regelung reicht. Wenn versucht wird, die bestehende erbvertragliche Bindung durch Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers zu umgehen, ist der Vertragspartner nach dem Tod des Erblassers durch die Vorschriften der §§ 2287 f. BGB geschützt und der vom Erblasser Beschenkte muss das Geschenk herausgeben.
Beispiel: Erblasser E schließt mit seinem Sohn S einen Erbvertrag, in welchem er ihm vertragsmäßig eine Wohnung in Hamburg vermacht. Ein Jahr vor seinem Tod überwirft sich E mit S und setzt ein Testament auf, das vorsieht, dass die Wohnung an seine Stieftochter T vermacht wird. Aufgrund der erbvertraglichen Bindung steht S gegen den Erben von E ein Anspruch auf Übereignung der Wohnung in Hamburg zu. Das Vermächtnis zugunsten T ist wegen § 2289 BGB unwirksam. E könnte die Wohnung aber zu Lebzeiten an T oder Dritte verkaufen. Es stellte sich dann nur die Frage, ob S dann den Kaufpreis erhielte. Würde E die Wohnung an T kurz vor seinem Tod verschenken, damit S die Wohnung nicht mehr bekommt, kann sich S nach dem Tod von E an seine Stiefschwester T halten und die Herausgabe der Wohnung nach § 2288 BGB verlangen.
b. Gemeinschaftliche letztwillige Verfügung
Eheleute können auch gemeinsam ein Testament errichten. Häufig werden dabei Verfügungen eines Ehegatten vorgenommen, von denen anzunehmen ist, dass diese nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wären, wie z.B. die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute. Wenn ein solches Abhängigkeitsverhältnis besteht, gelten diese Verfügungen als wechselbezüglich (§ 2270 BGB). Auch wechselbezügliche Verfügungen sind grundsätzlich einseitig getroffen und können deshalb jederzeit zu Lebzeiten der Ehegatten widerrufen werden. Allerdings muss sichergestellt werden, dass dann der andere Ehegatte, der seinerseits wegen diese Verfügung ja auch eine Verfügung vorgenommen hat, davon erfährt, um darauf reagieren zu können. Der Widerruf muss deshalb entweder von den Eheleuten gemeinsam durch neues (Widerrufs-)Testament oder aber einseitig durch notariell beurkundeten Widerruf, der dann dem anderen Ehegatten zugestellt werden muss, erfolgen. Stirbt einer der Ehegatten, werden die wechselbezüglichen Verfügungen des überlebenden Ehegatten im Zweifel bindend. Der Überlebende verliert seine Testierfreiheit (§ 2271 II BGB) oder wird zumindest darin eingeschränkt.
Beispiel: Erblasser E errichtet mit seiner Frau ein Berliner Testament, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden und die beiden gemeinsamen Kinder zu Schlusserben des Überlebenden einsetzen. Nach der Zweifelsregelung des § 2270 II BGB ist anzunehmen, dass sowohl die gegenseitigen Erbeinsetzungen als auch die Schlusserbeinsetzung der Kinder durch den Überlebenden wechselbezüglich sind. Mit dem Tod von E ist F daher an die Erbeinsetzung der Kinder wie bei einem Erbvertrag ohne Rücktrittsvorbehalt gebunden und verliert ihre Testierfreiheit. Wenn keine Bindung für den überlebenden Ehegatten eintreten soll, kann und muss dies im Testament ausdrücklich geregelt werden oder dieser die Erbschaft ausschlagen.
c. Adoptivkinder
Adoptivkinder werden erbrechtlich im Verhältnis zu den Adoptiveltern wie leibliche Kinder behandelt. Es wird ein wechselseitiges Erb- und Pflichtteilsrecht begründet. Allerdings muss zwischen der Minderjährigenadoption (§§ 1741 ff. BGB) und der Volljährigenadoption (§§ 1767 ff. BGB) unterschieden werden. Bei der Minderjährigenadoption handelt es sich um eine Volladoption. Das angenommene Kind wird vollständig aus der bisherigen Familie gelöst. Das Verwandtschaftsverhältnis zu seinen Blutsverwandten erlischt. Rechtlich wird ein neues, umfassendes Verwandtschaftsverhältnis zur Familie des Annehmenden begründet. Eine Volljährigenadoption entfaltet dagegen schwächere Wirkungen, wenn sie nicht ausnahmsweise nach § 1772 BGB mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption erfolgt. Der angenommen Kind und dessen Abkömmlinge gelten dann zwar als Abkömmling des Annehmenden, zwischen dem Adoptivkind und den Verwandten des Annehmenden entsteht aber kein Verwandtschaftsverhältnis (§ 1770 I BGB). Dafür bleiben die Rechtsbeziehungen des Adoptivkindes und seiner Abkömmlinge zu den leiblichen Verwandten in vollem Umfang bestehen.
Beispiel: Der kinderlose Erblasser E wurde von den Eheleuten M und F als Erwachsener adoptiert. Seine leiblichen Eltern LM und LF leben noch als er verstirbt. Da E kein Testament errichtet hat, tritt gesetzliche Erbfolge ein, mit der Konsequenz, dass sowohl die leiblichen als auch die Adoptiveltern zu gleichen Teilen Erben werden. Rechtlich hat er also 4 Elternteile. Hätte E ein Testament errichtet und darin seine Lebensgefährtin zu Alleinerbin eingesetzt, können M, F, LM und LF ihren Pflichtteil von jeweils 1/8 als enterbte Eltern von der Erbin verlangen.
d. Gleichgeschlechtliche Ehe, eingetragene Lebenspartnerschaften, Nichteheliche Lebenspartner und Stiefkinder
Für gleichgeschlechtliche Ehepartner (§ 1353 I BGB) oder eingetragene Lebenspartner (§ 10 LPartG) gelten erbrechtlich und erbschaftsteuerrechtlich keine Besonderheiten. Sie werden wie Ehegatten unterschiedlichen Geschlechts behandelt.Nichteheliche Lebenspartner und Stiefkinder werden erbrechtlich wie Fremde behandelt. Sie haben keine gesetzlichen Erb- und damit Pflichtteilsrechte. Will ein Erblasser diese Personen von Todes wegen bedenken, muss er eine letztwillige Verfügung errichten. Erbschaftsteuerrechtlich werden Stiefkinder aber wie eigene Kinder behandelt und haben einen entsprechenden hohen Freibetrag und gehören der Steuerklasse I an. Nichteheliche Lebensgefährten genießen erbschaftsteuerlich keinerlei Privilegierung und werden als Fremde behandelt (Freibetrag damit 20.000 € und Steuereingangssatz 30 %).