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Erbrecht in Frankreich

Obwohl Frankreich und Deutschland eine gemeinsame Grenze teilen, unterscheidet sich das französische Erbrecht in vielen Punkten vom deutschen Erbrecht. Nachfolgend soll zu wichtigen Fragen ein Überblick gegeben werden.

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Autor dieser Seite:

Stefan Stade
Avocat und Rechtsanwalt für Erbrecht in Strasbourg, Frankreich

1. Wer erbt nach französischem Recht, wenn kein Testament vorhanden ist?

Ist kein Testament vorhanden, so tritt die nach dem Gesetz vorgesehene Erbfolge ein. Das Gesetz unterscheidet dabei nach insgesamt vier Erbordnungen, wobei ein Erbe aus einer vorrangigen Ordnung automatisch einen Erben aus der nachfolgenden ausschließt. 

Neben diesen Ordnungen steht das Erbrecht des überlebenden Ehegatten, das davon abhängt, mit welchem Erben aus der gesetzlichen Erbfolge er zusammentrifft.

  • Erben der ersten Ordnung sind die Kinder oder die Enkelkinder, wenn das Kind bereits vor seinem Elternteil verstorben ist. Sind mehrere Erben vorhanden, so erben sie zu gleichen Teilen.
  • Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern und die Geschwister, gegebenenfalls deren Nachkommen also die Nichten und Neffen. 
  • Die dritte Ordnung besteht aus den Urgroßeltern oder falls noch lebend, den Ururgroßeltern.
  • In die vierte Ordnung fallen alle übrigen Verwandten in der Seitenlinie, also zum Beispiel Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins. 

Ist auch in dieser vierten Ordnung kein Erbe vorhanden, erbt der französische Staat.

Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten hängt davon ab, mit wem er aus der gesetzlichen Ordnung zusammentrifft.

Bei ehelichen Kindern kann der überlebende Ehegatte wählen zwischen einem Nießbrauch am gesamten Nachlass, also dem Recht zu dessen Nutzung während des Restes seines Lebens, oder einer Erbquote von 1/4.

Ist auch nur ein uneheliches Kind vorhanden, so entfällt das Recht, Nießbrauch wählen zu können und geerbt wird mit der Erbquote von 1/4.

Sind keine Kinder vorhanden, aber noch Eltern, so erbt der überlebende Ehegatte zu 1/2, ist nur noch ein Elternteil vorhanden zu 3/4.

Daneben steht dem überlebenden Ehegatten in allen genannten Fällen ein lebzeitiges, also bis zu seinem Ableben bestehendes Wohnrecht an der gemeinsamen Ehewohnung zu. Außerdem besteht ein Anspruch auf Unterhalt, falls bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls ein Unterhaltsbedarf bestanden hat.

Neben diesen Ansprüchen stehen außerdem die Ansprüche, die sich daraus ergeben können, dass der zwischen den Ehegatten bestehende eheliche Güterstand durch den Tod des einen Ehegatten beendet wird.

2. Wie errichtet man nach französischem Erbrecht ein Testament?

Die wichtigsten Testamentsformen sind das handschriftliche und das notarielle Testament. Ein handschriftliches Testament muss nicht nur vollständig durch Handschrift geschrieben und unterzeichnet sein, sondern auch, anders als in Deutschland, ein Datum tragen. Ein notarielles Testament muss entweder vor zwei Notaren oder, wie fast immer in der Praxis, vor einem Notar und zwei Zeugen errichtet werden. Die Errichtung eines solchen notariellen Testaments muss auch beim zentralen Testamentsregister angezeigt werden, sodass es im Todesfall über eine Anfrage dort aufgefunden werden kann. Bei handschriftlichen Testamenten besteht diese Möglichkeit nach Wahl des Testierenden. Ein gemeinschaftliches Testament ist in Frankreich verboten.

3. Gibt es nach französischem Recht einen Pflichtteil?

Einen Pflichtteilsanspruch, also einen Anspruch auf ein gesetzliches Minimum, steht vorrangig Kindern zu. Ist ein Kind zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits verstorben, treten ein seine Stelle die Abkömmlinge. Die Pflichtteilsquoten sind 1/2 des Nachlasses bei einem Kind; 1/3 des Nachlasses pro Kind bei 2 Kindern; 1/4 des Nachlasses pro Kind bei 3 Kindern und bei mehr als 3 Kindern pro Kind 3/4 geteilt durch die Anzahl der Kinder.

Für den überlebenden Ehegatten besteht ein Pflichtteilsanspruch nur dann, wenn weder Kinder noch Abkömmlinge vorhanden sind. In diesem Fall beträgt er ¼ des Nachlasses. 

Weitere Pflichtteilsberechtigte gibt es nicht.

4. Werden in Frankreich lebzeitige Schenkungen im Rahmen eines Pflichtteilsanspruchs berücksichtigt?

Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, werden bei der Pflichtteilsberechnung stets berücksichtigt. Eine zeitliche Grenze dafür gibt es nicht. Auch eine Schenkung, die zum Beispiel 20 Jahre zurückliegt, ist bei der Berechnung einzubeziehen.

5. Wie setzt man sein Erbrecht in Frankreich durch?

Zunächst einmal bedarf es eines förmlichen Nachweises, dass man Erbe ist. Dieser Nachweis wird üblicherweise durch eine notarielle Offenkundigkeitsbescheinigung („acte de notoriété“) oder, was bei internationalen Sachverhalten vorzuziehen ist, ein Europäisches Nachlasszeugnis erbracht. Für beides sind die Notare wie Notaririnnen zuständig. Die Kosten dafür berechnen sich nach einer Festgebühr, somit unabhängig vom Umfang des Nachlasses und sind deshalb mit gerundet 250 € sehr gering. Kommt es im Rahmen einer Nachlassabwicklung zum Streit, so sind dafür die allgemeinen Zivilgerichte zuständig. Besondere Nachlassgerichte gibt es nicht. Für die meisten Verfahren besteht ein Anwaltszwang.

6. Wie erfolgt in Frankreich die Eintragung des Erben im Grundstücksregister?

Damit ein Erbe in das Grundstücksregister eingetragen werden kann, bedarf es zwingend einer notariellen Grundstücksbescheinigung („attestation immobilière“), ausgenommen Elsass-Lothringen, wo ein Erbschein erforderlich ist. Ein „acte de notoriété" oder auch ein Europäisches Nachlasszeugnis reichen für die Eintragung nicht. Die Kosten für eine notarielle Grundstücksbescheinigung berechnen sich nach dem Wert des Grundstückes und können deshalb sehr schnell vierstellige oder noch höhere Beträge erreichen.

7. Wann fallen Erbschaftsteuern an und wie hoch sind sie?

Mit Ausnahme des überlebenden Ehegatten, der völlig von der Erbschaftsteuer freigestellt ist, müssen sämtliche Erben Erbschaftsteuer zahlen, es sei denn, die steuerlichen Freibeträge reichen aus. Diese Freibeträge sind gering. Betragen sie bei Kindern und deren Abkömmlingen noch 100.000 €, so bei Geschwistern nur noch 15.932 €, bei Neffen und Nichten 7967 € und bei noch entfernteren Erben 1594 €. Bei Kindern und Abkömmlingen beginnt der Steuersatz bei 5 % und steigt dann schichtweise in Stufen und in Abhängigkeit vom Umfang des Nachlasses, bis zu 45 % an. Bei Geschwistern beträgt der Steuersatz bis zu einem steuerbaren Nachlass von 24.430 € einheitlich 35 € % und danach 45 %. Bei sonstigen Verwandten gilt bis zum 4. Grad ein einheitlicher Steuersatz von 55 %. Dies betrifft insbesondere Nichten und Neffen. Für noch weiter entfernte Verwandte sowie für Erben, die in keinem Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser stehen, gilt ein einheitlicher Steuersatz von 60 %. Dies gilt auch für Stiefkinder, die somit leiblichen Kindern nicht gleichgestellt sind. Für die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung und die Zahlung der Erbschaftsteuer gelten strenge Fristen, die nicht verlängert werden können.

8. Nachlass ausschlagen oder Haftung beschränken: Was tun bei überschuldetem Erbe in Frankreich?

Besteht das Risiko, dass sich der Nachlass als überschuldet herausstellt, so sind sämtliche Handlungen zu vermeiden, die als eine Annahme der Erbschaft gewertet werden können. Eine solche Annahme muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch aus den Umständen ergeben, so zum Beispiel aus dem Anbieten eines Grundstücks zum Verkauf. Wurde das Erbe angenommen, kann es nicht mehr ausgeschlagen werden. Eine Anfechtung der Annahme wegen eines Irrtums über den Umfang des Nachlasses ist ausgeschlossen. Für Schulden wird bei einer Annahme dann auch persönlich, somit nicht nur beschränkt auf den Nachlass gehaftet. Eine Beschränkung wegen Schulden, die erst später bekannt geworden sind, kann zwar gerichtlich beantragt werden, steht aber im Ermessen des Gerichts. Allerdings steht dem Erben für die Frage, ob er das Erbe annehmen oder ausschlagen soll, mit zehn Jahren, gerechnet ab dem Erbfall, eine sehr lange Frist zu. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er von einem Nachlassgläubiger, einem Miterben oder sonst nach dem Gesetz Berechtigten durch Gerichtsvollzieher aufgefordert wird, sich zu entscheiden. Dann muss innerhalb kurzer Fristen eine Entscheidung getroffen werden, da andernfalls das Erbe als angenommen gilt. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, das Erbe mit einer Haftung beschränkt auf den Nachlass anzunehmen. Allerdings handelt es sich dabei um ein sehr formales Verfahren, bei dem eine Reihe von Fristen und Förmlichkeiten zu beachten sind, da andernfalls das Privileg der Haftungsbeschränkung entfällt.

9. Wie finde ich einen Rechtsanwalt für meinen Erbfall mit Bezug zu Frankreich? Welche Kosten fallen an?

Die deutsche Botschaft in Paris wie auch die deutschen Konsulate führen eine Anwaltsliste mit deutschsprachigen Anwälten und Anwältinnen, bei denen auch Fachgebiete angegeben sind. Auch die französischen Anwaltskammern führen Listen, bei denen nach Fachgebieten und Sprachkenntnissen recherchiert werden kann. Alle in diesen Listen gemachten Angaben beruhen allerdings auf Selbsteinschätzungen.

Der Autor selbst ist seit Jahren nahezu ausschließlich auf dem Gebiet des französischen Erbrechts, insbesondere in deutsch-französischen Fällen tätig. Dies unter Einschluss von regelmäßigen Vorträgen und Veröffentlichungen. 

Die Kosten eines Anwalts sind in Frankreich nicht gesetzlich geregelt, sondern müssen vereinbart werden. In erbrechtlichen Angelegenheiten wird meistens nach Zeitaufwand auf der Grundlage eines vereinbarten Stundensatzes abgerechnet. Daneben sind aber auch Pauschalvereinbarungen möglich. Auch kann ein Teil des Honorars erfolgsbezogen vereinbart werden. Eine Vergütung, die allein erfolgsbezogen ist, ist allerdings unzulässig.

10. Welche Besonderheiten weist das französische Erbrecht gegenüber dem deutschen Erbrecht auf?

Das französische Erbrecht unterscheidet sich in vielen Punkten vom deutschen Erbrecht. Dies betrifft zum Beispiel das Pflichtteilsrecht, ebenso die Rechte des überlebenden Ehegatten. Diese können durch verschiedene Gestaltungen, die in Deutschland unbekannt sind, sehr erweitert werden. Dies auch zu Lasten von Kindern. Bei Ehegatten spielt darüber hinaus außerdem noch die Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines der Ehegatten eine besondere Rolle. Hinzu kommen auch noch viele Abweichungen im Bereich des Steuerrechts. Alle diese Aspekte sind im Rahmen einer vorausschauenden Nachlassplanung zu berücksichtigen. Auch in der Abwicklung eines Nachlasses gibt es viele Unterschiede, die zu berücksichtigen sind. Häufig kommen dabei Sprachprobleme und Mentalitätsunterschiede hinzu.

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