Erbrecht in Portugal
Grenzübergreifende Erbrechtsfälle mit Bezug zu Portugal sind angesichts der Größe des Landes häufiger als man denken mag. Dies liegt zum Einen an der großen Diaspora, mehr als 2 Millionen Portugiesiesen leben im Ausland. Andererseits hat sich Portugal in den letzten Jahren als attraktives Einwanderungsland behauptet. Die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem portugiesischen Erbrecht sind enorm, wobei man nicht aus den Augen verlieren darf, dass bei erbrechtlichen Fragen im Vorfeld das eheliche Güterrecht zu berücksichtigen ist, da sich bereits hier große Abweichungen vom deutschen Recht einstellen.
- Wer erbt nach portugiesischem Recht, wenn kein Testament vorhanden ist?
- Wie errichtet man nach portugiesischem Erbrecht ein Testament?
- Gibt es nach portugiesischem Recht einen Pflichtteil?
- Werden in Portugal lebzeitige Schenkungen beim Pflichtteil berücksichtigt?
- Wie setzt man sein Erbrecht in Portugal durch?
- Wie erfolgt in Portugal die Eintragung des Erben im Grundbuch?
- Wann fallen Erbschaftsteuern an und wie hoch sind sie?
- Nachlass ausschlagen oder Haftung beschränken: Was tun bei überschuldetem Erbe in Portugal?
- Wie finde ich einen Rechtsanwalt für meinen Erbfall mit Bezug zu Portugal?
- Welche Besonderheiten weist das portugiesische Erbrecht gegenüber dem deutschen Erbrecht auf?
1. Wer erbt nach portugiesischem Recht, wenn kein Testament vorhanden ist?
Liegt kein Testament vor oder sollte dieses nicht gültig sein, kommen die gesetzlichen Erben zum Zuge. Das Gesetz sieht fünf Ordnungen mit absteigendem Rang vor. Die Erben der höheren Ordnung gehen denen der nächsten Ordnung vor und innerhalb der Ordnungen haben die Verwandten des nächsten Verwandtschaftsgrades Vorrang. In der ersten Ordnung erben der Ehegatte und die Abkömmlinge nebeneinander. Wenn der Erblasser keine überlebenden Abkömmlinge hinterlässt, erbt der Ehegatte in der zweiten Ordnung neben den Aszendenten. Sind weder Abkömmlinge noch Aszendenten vorhanden, erbt der Ehegatte alleine. In dritter Ordnung erben bei Fehlen eines Ehegatten, Aszendenten und eigener Abkömmlinge die Geschwister und deren Abkömmlinge. Wenn es keine Erben erster bis dritter Ordnung gibt, erben Seitenverwandte bis zum vierten Grad als Erben der vierten Ordnung. Der portugiesische Staat ist schließlich höchst subsidiär gesetzlicher Erbe der fünften Ordnung.
2. Wie errichtet man nach portugiesischem Erbrecht ein Testament?
Zu den gewöhnlichen Testamentsformen gehören das öffentliche Testament, welches vom Notar verfasst wird. Seltener wird die Form des verschlossenen Testaments benutzt (testamento cerrado), welches der Testator eigenhändig schreibt und unterzeichnet oder eine andere Person auf Bitte des Testators und im Anschluss von einem Notar genehmigen lässt. Das verschlossene Testament kann sodann beim Notar aufbewahrt werden, beim Testator selbst oder bei einem Dritten. Die Figur des gemeinschaftlichen Testaments oder des „Berliner Testaments“ kennt das portugiesische Recht nicht.
3. Gibt es nach portugiesischem Recht einen Pflichtteil?
Das portugiesische Recht sieht ein strenges Pflichtteilrecht vor, das auch als Norterbrecht bezeichnet wird. Ehegatten, Abkömmlinge und Aszendenten können als sogenannte „Noterben“ grundsätzlich nicht gänzlich enterbt werden. Die Höhe des Noterbteils richtet sich danach, wer im konkreten Fall die Noterben sind, wobei das Noterbe mindestens ein Drittel und höchstens zwei Drittel des Nachlasses umfasst, worüber der Erblasser nicht frei verfügen kann.
4. Werden in Portugal lebzeitige Schenkungen beim Pflichtteil berücksichtigt?
Lebzeitige Schenkungen werden zur Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt. Eine zeitliche Beschränkung auf 10 Jahre gibt es nicht.
5. Wie setzt man sein Erbrecht in Portugal durch?
Voraussetzung ist der Nachweis der Erbenstellung durch einen nationalen Erbschein oder das Europäische Nachlasszeugnis.
Der nationale portugiesische Erbschein wird in der Regel von einem Notar ausgestellt. Die Zuständigkeit für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses liegt seit Kurzem ebenfalls bei den portugiesischen Notaren, sowie bei bestimmenten Behörden. Die Gebühren für die Ausstellung eines portugiesischen Erbscheins, sowie des Europäischen Nachlasszeugnisses sind relativ gering und unabhängig vom Wert des Nachlasses.
Bei fehlender aussergerichtlicher Einigung, können die Erben auf ein Verfahren zur Feststellung und Aufteilung des Nachlasses zurückgreifen (processo de inventário). Die Zuständigkeit liegt hier sowohl bei den Zivilgerichten als auch bei den Notaren.
6. Wie erfolgt in Portugal die Eintragung des Erben im Grundbuch?
Die Eintragung ins Grundbuch erfolgt anhand eines Titels, z. B. auf der Grundlage eines nationalen, portugiesischen Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
7. Wann fallen Erbschaftsteuern an und wie hoch sind sie?
Die „Erbschaftsteuer“ fällt als Stempelsteuer an, zu einem einheitlichen Steuersatz von 10%. Wichtig ist, dass bei Immobilien nicht ihr Verkehrswert zugrunde gelegt wird, sondern ihr „steuerlicher Vermögenswert“ der vom Finanzamt bestimmt wird. Ehegatten, Abkömmlinge in absteigender Linie sowie Aszendenten in aufsteigender Linie sind im Erbfall von der Stempelsteuer befreit.
8. Nachlass ausschlagen oder Haftung beschränken: Was tun bei überschuldetem Erbe in Portugal?
In Portugal besteht die Möglichkeit der Annahme der Erbschaft unter Vorbehalt der Inventarerrichtung. In diesem Fall haftet nur das im Inventar aufgeführte Vermögen für die Verbindlichkeiten des Verstorbenen und die sonstigen Nachlasskosten, es sei denn, die Gläubiger oder Vermächtnisnehmer weisen nach, dass weitere Vermögenswerte vorhanden sind.
Alternativ kann der zur Erbschaft Berufene die Erbschaft ausschlagen. Die Ausschlagung wirkt auf den Eröffnungszeitpunkt zurück.
9. Wie finde ich einen Rechtsanwalt für meinen Erbfall mit Bezug zu Portugal?
Die deutsche Botschaft in Lissabon stellt Listen deutschsprachiger Rechtsanwälte/Advogados, die in ganz Portugal tätig sind über Ihre Webseite zur Verfügung, mit Angabe der jeweiliegen Tätigkeitsfelder.Die Autorin selbst ist seit Jahren gerichtlich und aussergerichtlich auf dem Gebiet des portugiesischen Erbrechts tätig, insbesondere in grenzübergreifenden Fällen mit Bezug zu deutschsprachigen Ländern. Sie hält ebenfalls Vorträge zum portugiesischen Erbrecht und ist Mitglied in Netzwerken.
10. Welche Besonderheiten weist das portugiesische Erbrecht gegenüber dem deutschen Erbrecht auf?
Die Abwicklung der Erbschaft beginnt in Portugal mit der Mitteilung des Erbfalles und Zusammensetzung des sich in Portugal befindlichen Nachlasses an das portugiesische Finanzamt. Diese Mitteilung ist bis zum Ende des 3. Monats, der auf den Monat des Ablebens des Erblassers folgt, vorzunehmen.
Die Verwaltung des Nachlasses liegt per Gesetz in der Hand des Nachlassverwalters (cabeça-de-casal), der in der Regel zu den nahen Verwandten gehört und sein Amt unentgeltlich ausführt. Die Nachlassverwaltung kann auch vom Testamentvollstrecker vorgenommen werden. Eine Nachlassverwaltung von Amts wegen ist nur vorgesehen wenn Gefahr in Verzug ist und in der Praxis so gut wie nicht existent.
Anders als im deutschen Recht verfristet die Möglichkeit zur Annahme einer Erbschaft erst mit Ablauf von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem der zum Erben Berufene Kenntnis von seiner Berufung erhalten hat.
Das Noterbrecht ist nicht wie der Pflichtteilsanspruch im deutschen Recht als rein schuldrechtlicher Anspruch gegen die Erben ausgestaltet, sondern stellt ein echtes dingliches Erbrecht dar, wodurch den Noterben eine gefestigtere Rechtsstellung zuteil wird.
Die Existenz von Testamenten und Erbausschlagungen wird in einem zentralen Testamentsregister geführt.