Erbrecht in Österreich
So nah das Land und so bekannt die Sprache erscheint: Das österreichische Erbrecht könnte dem deutschen Recht kaum fremder sein. Das beginnt mit der Fachsprache, die keinen Nachlass, sondern nur eine „Verlassenschaft“ kennt und von einer „Einantwortung“ durch den „Gerichtskomissär“ spricht. Das setzt sich fort im Verfahren, das völlig vom deutschen Nachlassverfahren abweicht. Und endet nicht bei den Steuern und Gebühren, da die Erbschaftsteuer in Österreich abgeschafft wurde, aber gerade bei Immobilien Eintragungsgebühren und Grunderwerbsteuern anfallen können. Die zehn wichtigsten Fragen beantwortet Mag. Roland Schlegel hier.
Egal ob Sie rechtliche Unterstützung in einem Verlassenschaftsverfahren bzw. in der Nachlassplanung benötigen, oder spezifische Fragen zum Erbrecht haben, Mag. Roland Schlegel steht Ihnen als erfahrener Rechtsanwalt für Erbrecht zur Seite.
Das österreichische Erbrecht ist geprägt von dem sogenannten Parentelsystem (= Verwandtschaftslinien). Dabei gilt, dass die jeweils nähere Linie die anderen Linien ausschließt. Die gesetzlichen Bestimmungen hierzu finden sich in §§ 730 ff des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches („ABGB“). Die erste Parentel umfasst nur die Nachkommen (Kinder und Kindeskinder) des Erblassers. Sind keine Nachkommen vorhanden, fällt der Nachlass der zweiten Parentel zu. Das sind die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen (also die Geschwister des Verstorbenen). Sind beide Eltern noch am Leben erhalten sie jeweils die Hälfte des Nachlasses. Ist einer der Elternteile vorverstorben, wird der Erbteil unter dessen Kindern aufgeteilt. Hat ein Elternteil keine weiteren Kinder hinterlassen, fällt sein Erbteil dem anderen Elternteil zu. Sind beide Eltern bereits verstorben und haben keine weiteren Kinder hinterlassen, ist die dritte Parentel erbberechtigt. Das sind die Großeltern und deren Nachkommen (also die Tanten und Onkel des Verstorbenen). Die Aufteilung verläuft nach denselben Regeln, wie in der zweiten Parentel. Sind keine Erben in der dritten Parentel vorhanden, kommt die vierte und letzte Parentel zum Zuge, also die Urgroßeltern und deren Nachkommen. In Österreich kommt auch dem Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht zu. Die Erbquote des Ehegatten hängt dabei davon ab, neben welcher Parentel er erbberechtigt ist. In der ersten Parentel beträgt die Erbquote des Ehegatten 1/3, in der zweiten Parentel 2/3. Die dritte und vierte Parentel kommen nicht mehr zum Zug, sondern wird der Ehegatte Alleinerbe. Sollte es keine gesetzlichen Erben geben, fällt das Vermögen an den Staat Dies soll jedoch die Ausnahme bleiben, weshalb das Gesetz auch ein außerordentliches Erbrecht des Lebensgefährten vorsieht. Wenn es keine Erben gibt und kein Ehegatte/eingetragener Partner vorhanden ist, soll der Lebensgefährte alles bekommen, bevor das Vermögen an die Republik Österreich fällt. Daneben gilt es noch eine Vielzahl von Spezialgesetzen und Sondervorschriften zur Erbfolge zu beachten, allen voran im Mietrechtsgesetz und im Wohnungseigentumsgesetz. Diese sehen eine Sonderrechtsnachfolge vor, welche das Parentelsystem (partiell, Miet- und Wohnungseigentumsrechte betreffend) ausschließen. In Österreich setzt die Errichtung eines Testaments grundsätzlich Schriftlichkeit voraus. Dabei kann das Testament eigenhändig oder fremdhändig errichtet werden. Das eigenhändige Testament muss vom Testator selbst handschriftlich geschrieben und unterschrieben werden. Beim fremdhändigen Testament kann der Text auch von einer anderen Person oder mit Hilfe eines Computers geschrieben werden. Der Testator muss jedoch den Text eigenhändig unterschreiben und einen eigenhändigen Zusatz beifügen, wonach der Text seinem wahren letzten Willen entspricht. Darüber hinaus muss das Testament in gleichzeitiger Anwesenheit von drei Zeugen unterschrieben werden, die das Testament ebenfalls unterschreiben und einen eigenhändig geschriebenen Zusatz beisetzen müssen, der auf ihre Zeugeneigenschaft hinweist. Ein fremdhändiges Testament kann grundsätzlich von jeder Person errichtet werden, wobei die Beiziehung eines Rechtsanwalts bzw. Notars oder die Errichtung vor Gericht zu empfehlen ist, um die Einhaltung der strengen Formvorschriften und damit die Wirksamkeit des Testaments sicherzustellen. Die Kosten für ein fremdhändiges Testament sind gesetzlich nicht geregelt, sondern können frei vereinbart werden. Dabei hängen die Kosten insbesondere von der Komplexität des gewünschten Inhalts ab. Fragen Sie daher vor der Auftragserteilung nach, mit welchen Kosten zu rechnen ist. In Österreich können sowohl natürliche als auch juristische Personen zu Erben eingesetzt werden. Zu beachten ist hierbei jedoch das Pflichtteilsrecht der Nachkommen und des Ehegatten des Erblassers. Diesen kommt von Gesetzes wegen ein Geldanspruch zu, und zwar in der Höhe der Hälfte Ihres gesetzlichen Erbrechts. Dieser Geldanspruch kann nur in besonders gravierenden Fällen entzogen werden. Zu beachten ist hierbei, dass die bloße Anordnung in einem Testament für sich genommen noch keine Wirkungen entfaltet. Viel mehr muss der Erbe in einem Prozess beweisen, dass der Enterbungsgrund auch tatsächlich vorliegt. Sollte zwischen dem Erblasser und dem pflichtteilsberechtigten Kind in einem Zeitraum von über 20 Jahren vor dem Tod kein Kontakt bestehen, wie er üblicherweise einem „Eltern-Kind-Verhältnis“ entspricht, kann der Erblasser letztwillig - oder der Erbe im Rahmen eines Pflichtteilsprozesses - die Minderung des Pflichtteilsanspruches um die Hälfte erreichen. Der Erblasser kann zu Lebzeiten mit seinem Vermögen als Ausfluss der Privatautonomie grundsätzlich machen, was er will. Er ist aber auch schon hier durch das Pflichtteilsrecht eingeschränkt. In Österreich sind nämlich Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte zeitlich unbefristet zu berücksichtigen. Schenkungen an sonstige Personen sind nur innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Ableben des Erblassers zu berücksichtigen. Diese Schenkungen erhöhen die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil, indem sie dem Nachlassvermögen hinzugerechnet werden. Grundsätzlich sind alle Schenkungen, die ein Nachkomme oder der Ehegatte des Erblassers erhalten hat, von seinem Pflichtteil abzuziehen. Es bestehen in Österreich aber umfassende Gestaltungsmöglichkeiten, wie man eine Berücksichtigung von Zuwendungen zu Lebzeiten ausschließen kann. Sofern die Schenkungen zu berücksichtigen sind, besteht eine Beitragspflicht der Geschenknehmer für den Fall, dass der Nachlass nicht ausreicht, um die durch die Schenkung erhöhten Pflichtteilsansprüche zu befriedigen. Das Verlassenschaftsverfahren ist in Österreich einheitlich geregelt, unabhängig davon, was für ein Vermögen im Nachlass enthalten ist. Zuständig für die Verfahrensleitung ist ein Notar, der als Organ des Gerichts tätig wird und deshalb als Gerichtskommissär bezeichnet wird. Dieser hat Abfragen in den österreichischen Testamentsregistern (es gibt eines der Notare und eines der Rechtsanwälte) durchzuführen und die Testamentserben zu verständigen. Ebenso hat der Gerichtskommissär – soweit möglich – die gesetzlichen Erben zu kontaktieren und dem Verfahren beizuziehen, da diese die Wirksamkeit eines Testaments grundsätzlich anfechten können. Sodann sind die potenziellen Erben – unter Setzung einer Frist von maximal einem Jahr – aufzufordern, zu erklären, ob sie die Erbschaft antreten möchten. Wird diese Frist versäumt, hat dies nur zur Folge, dass man dem Verfahren nicht länger beigezogen wird. Man kann die Erbantrittserklärung aber innerhalb von 3 Jahren ab dem Zeitpunkt nachholen, zu dem man Kenntnis von dem Erbrecht erlangt hat. Unabhängig davon verjährt das Erbrecht binnen 30 Jahren nach dem Ableben des Erblassers. Sofern Erbantrittserklärungen im Widerspruch zueinanderstehen und keine einvernehmliche Lösung erzielt werden kann, hat das Gericht in einem dem Kostenersatz unterliegenden Erbrechtsstreit zu entscheiden, wem das bessere Erbrecht zukommt. Das Verfahren endet grundsätzlich mit dem Einantwortungsbeschluss, dem offiziellen Dokument des Gerichts, das die Stellung als Erbe ausweist. Dieser hat auch die Pflichtteile und Vermächtnisse zu erfüllen. In Österreich wird der Erbe Eigentümer einer Liegenschaft schon im Zeitpunkt der Einantwortung, er wird sohin außerbücherlicher Eigentümer und kann über die Immobilie schon frei verfügen. Wenn der Grundbuchstand entsprechend berichtigt werden soll, sind entsprechende öffentliche Urkunden erforderlich, die eine Eintragung im Grundbuch ermöglichen. In Österreich wird dieser Nachweis durch den Einantwortungsbeschluss oder eine gerichtliche Amtsbestätigung erbracht. Soll auf Grund eines Verfahrens im Ausland eine Eintragung im Grundbuch bzw. der Erwerb von Liegenschaften erfolgen, kommt es darauf an, in welchem Land der Nachlass abgewickelt wurde. Innerhalb der EU kann auf Grund des europäischen Nachlasszeugnisses oder eines (deutschen) Erbscheins eine Einverleibung im Grundbuch erfolgen. Außerhalb der EU kommt es auf die zwischenstaatlichen Abkommen an, ob durch die dortigen Urkunden ein Eigentumserwerb von Liegenschaften in Österreich erfolgen soll. Notfalls ist in Österreich ein Verlassenschaftsverfahren zu führen, das auf das inländische Liegenschaftsvermögen beschränkt ist. Für die Eintragung im Grundbuch ist in Österreich eine Eintragungsgebühr zu entrichten. Hinzu kommt die Grunderwerbssteuer, deren Höhe vom Liegenschaftswert und dem Verwandtschaftsverhältnis abhängt. Eine Erbschaftssteuer besteht für das österreichische Verlassenschaftsvermögen derzeit nicht. Sofern in dem österreichischen Verfahren auch ausländisches Vermögen behandelt wird, kann es dazu kommen, dass im Ausland eine Erbschaftssteuer zu entrichten ist. Ob es zu einer solchen Steuer im Ausland kommt, ist anhand der Steuerabkommen zwischen Österreich und dem jeweiligen Vertragspartner zu beurteilen. Sollte der Fall eintreten, dass ein Nachlass in Österreich überschuldet ist, jedoch beispielsweise Liegenschaftsvermögen vorhanden ist und man dieses erwerben möchte, besteht die Möglichkeit eine Überlassung an Zahlungs statt zu beantragen. Dadurch erhält man das Vermögen des Erblassers, man hat jedoch im Gegenzug hierfür die bestehenden Verbindlichkeiten zu einem gewissen Prozentsatz zu befriedigen. In welcher Höhe dies der Fall ist, wird vom Gericht mit Beschluss festgesetzt. Die Ausschlagung einer Erbschaft kann in Österreich grundsätzlich nicht empfohlen werden, weil diese nicht zurückgenommen werden kann. Sollte daher nachträglich noch weiteres Vermögen hervorkommen, kann man dieses Vermögen nicht mehr erhalten. Aus diesem Grund empfiehlt es sich stattdessen eine sogenannte Nichtbeteiligungserklärung abzugeben, die lediglich dazu führt, vorläufig nicht mehr bei der Verlassenschaftsabhandlung berücksichtigt zu werden. Sollte nachträglich noch Vermögen hervorkommen und der Nachlass nicht mehr überschuldet sein, könnte noch eine Erbantrittserklärung innerhalb der Verjährungsfrist abgegeben werden. In Österreich gibt es keine gesetzlich festgelegte Regelung hinsichtlich der Vertretungskosten eines Rechtsanwalts im Verlassenschaftsverfahren. Das Honorar unterliegt daher der freien Parteienvereinbarung. Üblich ist die Vereinbarung eines Stundensatzes oder aber die Abrechnung nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz. Wird kein Honorar vereinbart, hat der Anwalt - von Gesetzes wegen - einen Anspruch auf ein angemessenes Entgelt. Fragen Sie daher unbedingt nach den Honorarbestimmungen des Rechtsanwalts, bevor Sie diesem ein Mandat erteilen. Nach dem Tod des Erblassers bestehen seine Vermögenswerte als juristische Person, der Verlassenschaft, fort. Erst nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens mit der Einantwortung wird der Erbe rechtswirksam Rechtsnachfolger. Im österreichischen Erbrecht wird man nicht automatisch Erbe. Man muss vielmehr ausdrücklich erklären das Erbe anzunehmen. Liegenschaften werden schon mit der Einantwortung erworben, die Eintragung im Grundbuch hat nur mehr klarstellende Wirkung. Es gibt in Österreich keine Erbschaftssteuer. Die Kinder und Ehegatten des Erblassers haben einen Geldanspruch, den sogenannten Pflichtteil, der nur in Ausnahmefällen entzogen werden kann.
1. Gesetzliche Erbfolge in Österreich: Wer erbt, wenn kein Testament vorhanden ist?
(sogenanntes „Aneignungsrecht des Bundes“). 2. Wie man ein Testament in Österreich erstellt: Schritte und Kosten
3. Erbeinsetzung und Enterbung in Österreich: Regelungen zum Pflichtteil
4. Umgang mit dem Pflichtteil in Österreich: Lebzeitige Vermögensübertragungen
5. Rechtstellung als Erbe in Österreich: Durchsetzung von Erbrechten
6. Erbnachweis und Grundbucheintragung bei Auslandsimmobilien in Österreich: Prozess und Kosten
7. Wann fallen Erbschaftssteuern an und wie hoch sind sie?
8. Nachlass ausschlagen oder Haftung beschränken: Was tun bei überschuldetem Nachlass in Österreich
9. Was kostet ein Rechtsanwalt und wie finde ich einen?
10. Länderspezifische Besonderheiten im österreichischen Erbrecht: Was Sie wissen müssen