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Erbrecht in der Schweiz

Das Erbrecht in der Schweiz ist landesweit einheitlich im Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt. Allerdings bestehen in einzelnen Bereichen dennoch kantonale Regelungen, namentlich bei der Erbschaftssteuer. Dieser Artikel beleuchtet die wesentlichen Aspekte des Erbrechts in der Schweiz, von der gesetzlichen Erbfolge ohne Testament über die Möglichkeiten bei der Testamentsgestaltung bis hin zu den Besonderheiten bei der Geltendmachung von Erbansprüchen. Ein spezielles Augenmerk wird dabei auch auf die Unterschiede gegenüber dem deutschen Erbrecht gelegt.

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Autor dieser Seite:

Urs Kaufmann
Rechtsanwalt & Notar, Spezialist für Erbrecht und Steuern, Berufsrichter em. in St. Gallen

1. Gesetzliche Erbfolge in der Schweiz: Wer erbt, wenn kein Testament vorhanden ist?

Die gesetzliche Erbfolge ist in der Schweiz im Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt. Hierbei gilt das Parentelsystem: Die nächsten gesetzlichen Erben eines Erblassers sind seine Kinder und Enkelkinder (1. Parentel) und, sofern keine vorhanden, die Verwandten des elterlichen und grosselterlichen Stammes (2. und 3. Parentel). Ebenfalls erbberechtigt ist ein allfälliger Ehepartner oder eingetragener Partner. Hinterlässt der Erblasser keine gesetzlichen Erben, so fällt das Erbe an das Gemeinwesen am letzten Wohnsitz des Erblassers in der Schweiz.

War der Erblasser verheiratet oder in einer eingetragenen Partnerschaft, ist für die Bestimmung des Nachlassvermögens das Ehegüterrecht zu berücksichtigen. Nur, was nach Abzug der güterrechtlichen Ansprüche des überlebenden Ehepartners vom ehelichen Vermögen bleibt, bildet den Nachlass.

2. Wie man in der Schweiz ein Testament erstellt: Schritte und Kosten

Das schweizerische Erbrecht sieht einerseits das eigenhändige Testament, andererseits die öffentliche letztwillige Verfügung sowie den Erbvertrag vor. Letztere beiden werden von einer Urkundsperson unter Beisein von zwei Zeugen errichtet und in der Regel amtlich hinterlegt. Auch eigenhändige Testamente können bei der für den Wohnsitz des Testators zuständigen Stelle deponiert werden. Die Gebühr für die Hinterlegung beträgt je nach Kanton zwischen 100 und 150 Franken.

3. Erbeinsetzung und Enterbung in der Schweiz: Regelungen zu Pflichtteil und Noterben

Mit einem Testament oder einem Erbvertrag kann ein Erblasser einzelne oder sämtliche gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil setzen. Dabei geniessen jedoch lediglich die Nachkommen sowie der Ehepartner resp. eingetragene Partner einen Pflichtteilsschutz, welcher 1/2 des gesetzlichen Erbteils beträgt (Noterben). Alle übrigen gesetzlichen Erben haben keinen geschützten Pflichtteil und können daher auch gänzlich von der Erbschaft ausgeschlossen werden. Einem Pflichtteilserben hingegen kann der Pflichtteil nur durch Abschluss eines Erbverzichts­vertrags mit den betreffenden Noterben oder aber auf dem Wege der Enterbung entzogen werden. Letztere setzt zwingend einen Enterbungsgrund nach Art. 477 ff. ZGB voraus.

Die Summe der Pflichtteile bildet die gebundene Nachlassquote, das restliche Nachlassvermögen stellt die sogenannte freie oder disponible Quote dar, über welche der Erblasser zugunsten Dritter verfügen kann.

4. Umgang mit dem Pflichtteil in der Schweiz: Lebzeitige Vermögensübertragungen

Zu Lebzeiten kann der Erblasser frei über sein Vermögen verfügen. Er kann dieses schenkungsweise – auch an Nichterben – oder im Rahmen eines Erbvorbezugs übertragen. Werden lebzeitige Vermögensveräusserungen an gesetzliche Erben gewährt, sind diese im späteren Erbgang grundsätzlich zur Ausgleichung zu bringen. Der Erblasser kann seine Nachkommen jedoch ausdrücklich von dieser Ausgleichungspflicht befreien. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass allfällige Pflichtteilsansprüche nicht verletzt werden. Ansonsten entsteht für die im Pflichtteil verletzten Erben ein Herabsetzungsanspruch.

5. Rechtsstellung als Erbe in der Schweiz: Durchsetzung von Erbrechten

Nach schweizerischem Recht erwerben die Erben mit dem Tod des Erblassers die Erbschaft als Ganzes kraft Gesetzes. Sie werden mit anderen Worten automatisch gemeinsame Eigentümer am gesamten Nachlass mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten (sogenannte Universalsukzession), ohne vorgängig die Annahme der Erbschaft zu erklären. 

Ist eine letztwillige Verfügung vorhanden, so wird diese nach dem Tod des Erblassers und nach amtlicher Ermittlung der Eben an diese sowie auszugsweise an allfällige weitere Begünstigte eröffnet. Alsdann beginnt die dreimonatige Frist zur Ausschlagung einer allenfalls überschuldeten Erbschaft sowie die einjährige Frist zur Einreichung einer Herabsetzungs- oder Ungültigkeitsklage. Zuständig für erbrechtliche Klagen ist zwingend der Zivilrichter am letzten Wohnsitz des Erblassers.

6. Erbnachweis und Grundbucheintragung bei Auslandsimmobilien in der Schweiz: Prozess und Kosten

Für die Übertragung von in der Schweiz gelegenen Immobilien ist das Grundbuchamt zuständig, in dessen Grundbuchkreis das betreffende Grundstück liegt. Dem Grundbuch ist der Erbnachweis zu erbringen. Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz, erfolgt dies mit dem amtlich ausgestellten Erbschein. Befand sich sein letzter Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU und ist keine Nachlasszuständigkeit der Schweiz gegeben, so wird in der Schweiz auch das europäische Nachlasszeugnis ENZ gemäss Europäischer Erbrechtsverordnung EU-ErbVO als Legitimationsausweis anerkannt.

Das Grundbuchamt trägt in einem ersten Schritt den Erbgang im Grundbuch ein und erstellt anschliessend die erforderliche Urkunde für die Übertragung der Immobilie, welche von allen Erben zu unterzeichnen ist. 

Die Kosten für die Übertragung der Immobilie im Erbgang setzen sich aus der Handänderungssteuer von 0.5% des amtlichen Verkehrswerts sowie den Gebühren für die Beurkundung und Eintragung im Grundbuch gemäss kantonaler Gebührenverordnung zusammen. Die Grundstückgewinnsteuer wird bei Transaktionen im Zuge der Erbteilung aufgeschoben, sie fällt erst bei einer späteren Veräusserung an.

7. Wann fallen Erbschaftssteuern an und wie hoch sind sie?

Die Erbschaftssteuern sind in der Schweiz kantonal unterschiedlich geregelt. Von zwei Kantonen abgesehen (Schwyz und Obwalden) kennen jedoch alle Kantone eine Erbschaftssteuer, wobei jeweils Ehepartner und Nachkommen sowie teils Stiefkinder steuerbefreit sind.

8. Nachlass ausschlagen oder Haftung beschränken: Was tun bei überschuldetem Erbe in der Schweiz?

Besteht Ungewissheit darüber, ob ein Nachlass überschuldet ist oder nicht, kann jeder Erbe innerhalb eines Monats seit dem Tod des Erblassers die Aufnahme eines öffentlichen Inventars verlangen. Dieses Recht steht den Erben allerdings nur zu, sofern sie die Erbschaft nicht bereits ausgeschlagen haben. Nach Vorlage des öffentlichen Inventars haben die Erben innert Monatsfrist zu erklären, ob sie die Erbschaft vorbehaltlos annehmen, unter öffentlichem Inventar annehmen, ausschlagen oder die amtliche Liquidation verlangen.

Bei Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar wird die Haftung der Erben auf die im Inventar aufgeführten Schulden beschränkt.

Ist einem Erben die Überschuldung bekannt, ergibt sie sich aus dem öffentlichen Inventar oder möchte er die Erbschaft aus anderen Gründen nicht annehmen, so kann er die Erbschaft ausschlagen. Die Frist beträgt drei Monate ab Kenntnis des Todes respektive einen Monat ab Vorliegen eines beantragten öffentlichen Inventars. War der Ausschlagende gesetzlicher Erbe, vererbt sich sein Anteil an seine eigenen gesetzlichen Erben weiter. Schlägt ein eingesetzter Erbe aus, so fällt sein Anteil an die übrigen Erben des Erblassers. Nach Ausschlagung der Erbschaft haftet der betreffende Erbe nicht mehr für die Schulden des Nachlasses.

9. Was kostet ein Rechtsanwalt und wie finde ich einen?

Die Anwaltshonorare sind in der Schweiz regional sehr verschieden und können grundsätzlich frei vereinbart werden. Üblicherweise wird nach effektivem Zeitaufwand abgerechnet, wobei die Ansätze dem Interessen- oder Streitwert sowie insbesondere der Schwierigkeit und Dringlichkeit des Falles Rechnung tragen. Rein erfolgsabhängige Honorare sind in der Schweiz verboten.

Der Schweizerische Anwaltsverband SAV bietet auf seiner Webseite eine Anwaltssuche an, welche unter anderem nach Kanton, Fachgebiet und Sprache gefiltert werden kann.

10. Länderspezifische Besonderheiten im schweizerischen Erbrecht: Was Sie wissen müssen

Als Besonderheit des Schweizer Erbrechts gelten die Höchstpersönlichkeit des Erblasserwillens und die Vertretungsfeindlichkeit. Grundsätzlich gilt allein der Wille des Testators, und er kann es nicht einem Testamentsvollstrecker überlassen, Zuwendungen an wohltätige Organisationen auszurichten. Anders als beispielsweise in Deutschland ist in der Schweiz das gemeinschaftliche wie auch das korrespektive Testament unzulässig.

Der Erwerb der Erbschaft erfolgt nach schweizerischem Recht kraft Gesetzes, ohne dass der Erbe die Annahme erklären müsste, und bezieht sich bis zur Teilung gemeinschaftlich mit allen anderen Erben auf den Nachlass als Ganzes. Möchte ein Erbe die Erbschaft nicht antreten, ist daher innert Frist eine Ausschlagungserklärung einzureichen.

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