nach oben
30.06.2018
Notarielles Testament unwirksam bei fortgeschrittener Alzheimerdemenz

Testierunfähigkeit trotz notarieller Beurkundung

In einem Verfahren beim OLG Hamm – 10 U 76/16 - stritten sich 2 gesetzliche Erben einer Erblasserin darum, ob ein notarielles Testament aus dem Jahr 2007 und Vermögensverschiebungen aus dem gleichen Jahr wirrksam oder eben wegen Geschäfts- und Testierunfähigkeit unwirksam und damit nichtig waren.

Zu entscheidender Fall

Im Jahr 2004 war die Erblasserin in ein Altenheim gezogen, in dem sie bis zu ihrem Tod lebte. Im gleichen Jahr ordnete das Betreuungsgericht wegen fortgeschrittener Alzheimerdemenz für die spätere Erblasserin eine Betreuung für Ihre Vermögensangelegenheiten an. Nachdem zunächst ihre beiden Söhne zu Betreuern bestellt wurden, verstarb einer der Söhne im Jahr 2007. Erbrechtlich trat seine Tochter an seine Stelle. Sie war zu dieser Zeit aber noch minderjährig, sodass der übrig gebliebene Sohn zum alleinigen Betreuer bestellt wurde.

Noch im gleichen Jahr wurde ein notarielles Testament beurkundet, das den übrig gebliebenen Betreuer als alleinigen Erben auswies. Im Jahr 2007 sowie im Jahr 2008 erfolgten vom Sohn veranlasst seitens der Erblasserin zudem Schenkungen an ihren Sohn im 6-stelligen Bereich.

Verlauf des Betreuungsverfahrens

Im Betreuungsverfahren aus dem Jahr 2010 wurde durch eine fachärztliche Begutachtung festgestellt, dass die Demenzerkrankung der Erblasserin so weit fortgeschritten war, dass aus ärztlicher Sicht Geschäftsunfähigkeit bestand.

Die Tochter des verstorbenen Bruders erhob dann Feststellungsklage und wollte festgestellt wissen, dass die Schenkungen sowie das Testament unwirksam sind, weil schon damals Testier- und Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hätten. Ihr Onkel vertrat die Auffassung, dass seine Mutter im Jahre 2009 noch geschäftsfähig gewesen sei. Erst im Jahr 2010 sei entsprechend dem Gutachten im Betreuungsverfahren  Geschäftsunfähig-keit eingetreten.

Verlauf des Klageverfahrens mit Begutachtungen und Vernehmung von Zeugen

Das OLG Hamm hat durch die Vernehmung von Zeugen und medizinischen Sachverständigen Beweis erhoben. Es stellte sich im Rahmen dieser Beweisaufnahme heraus, dass die Erblasserin schon im Jahr 2006 testier- und geschäftsunfähig gewesen war. Maßgeblich war u.a. die Aussage eines Chefarztes eines Krankenhauses, in dem die Erblasserin in den Jahren 2003 und 2004 stationär aufgenommen gewesen war. Anhand der damals erstellten Arztberichte wurde festgestellt, dass sich die Erblasserin schon damals in einem deutlich verschlechterten Zustand der Demenzerkrankung befand. Sie sei bereits im August 2004 nicht mehr testier- und geschäftsfähig gewesen. Dies deckte sich auch mit den Dokumentationen aus dem Pflegeheim.

Widersprüchliches Verhalten im Vorfeld

Hinzu kam, dass im Jahr 2004 die Brüder gemeinsam eine Betreuung beantragt hatten, obwohl sie eine Vorsorgevollmacht hatten. Damals musste Vermögen verkauft werden, um die Pflegekosten zu tragen. Die Mutter war nicht einverstanden. Daher begründeten die Brüder den Antrag unter anderem auch mit einer vorliegenden fortgeschrittenen Demenz ihrer Mutter. Auch im Jahr 2006 hatte sich die Erblasserin gegen den Verkauf ihres Hauses gewehrt, weil sie dorthin zum Sterben zurückkehren wolle.

Klares Ergebnis

Das OLG Hamm kam zu dem klaren Ergebnis, dass im Jahr 2007 und 2008 Testier- und Geschäftsunfähig-keit vorlag mit der Folge, dass das Testament und die Übertragungen aus dem Jahre 2007 bzw. 2008 unwirksam waren. Ein Notar ist kein medizinischer Sachverständiger für Testier- oer Geschäftsfähigkeit und kann durch medizinsche Berichte und Gutachten in seiner Einschätzung widerlegt werden.

Praxistipp:

Es passiert leider immer wieder, dass einzelne Personen versuchen, trotz Geschäfts- und Testierunfähigkeit einer vermögenden Person sich Vermögensvorteile zu verschaffen. In solchen Streitigkeiten kommt es darauf an, dass man als derjenige, der sich auf Testierunfähigkeit oder Geschäftsunfähigkeit beruft, möglichst viel Informationen über vorherige Krankenhausaufenthalte oder Ärzte hat. Durch solche Krankenunterlagen ist schon häufig nachgewiesen worden, dass Geschäfts- und Testierunfähigkeit zu einem Zeitpunkt gegeben war, in dem dann ein gieriger Verwandter oder Bekannter versucht hat, sich auf widerrechtliche Weise Vermögensvorteile zu verschaffen.

Umgekehrt macht es Sinn, bei geringsten Zweifeln an der Geschäfts- oder Testierfähigkeit sich vor dem Errichten eines Testaments oder einer Vermögensübertragung ein fachärztliches Gutachten zur Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit einzuholen.



← zurück
Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker e.V. Erbrechtsmediation Erbrechtsakademie