Europäisches Nachlasszeugnis
Kein Zwang zur Benutzung des amtlichen Formblatts für die Beantragung eines sog. Europäischen Nachlasszeugnisses
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 17.01.2019, Az: C-102/19 (Brisch), auf Vorlagebeschluss des OLG Köln vom 06.02.2018 zum Az: 2 Wx 276/17, das Vorabentscheidungsgesuch zu entscheiden, ob die Auslegung von Art. 65 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments des Rates vom 04.07.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses und von Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 09.12.2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung Nr. 650/2012 als Inhalt hat, dass zur Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zwingend das Formblatt IV hierzu zu verwenden ist.
Europäischer Gerichtshof verneint Zwang zur Benutzung Formblatt bei Beantragung des Europäischen Nachlasszeugnisses
Der Europäische Gerichtshof stellt dankenswerterweise eindeutig und klar fest, dass kein Zwang besteht, für die Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (kurz: ENZ) das amtliche Formblatt IV zu benützen. Der Europäische Gerichtshof begründet dies mit dem Wortlaut des Art. 65 Abs. 2, mit dessen Entstehungsgeschichte und mit einem Vergleich zum Benutzungszwang bezüglich des Vordrucks zur Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
Praxishinweis von Fachanwalt für Erbrecht Thomas Maulbetsch
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Benutzung des Antragsformulars IV die Bearbeitung des Antrags auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses erheblich vereinfacht und beschleunigt. Dies wird beim grenzüberschreitenden Vorgang innerhalb der EU dadurch gewährleistet, dass die einzelnen Angaben bzw. Vorgaben im Vordruck in zahlreichen Sprachen niedergeschrieben sind, so dass sich eine spätere Übersetzung – mit einher gehender Kostentragung und Zeitverzögerung – selbstverständlich erübrigt. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses die Anlage V zwingend zu verwenden ist.
Exkurs: Vorteile durch die Europäische Erbrechtsverordnung für uns EU-Bürger
Die Europäische Erbrechtsverordnung erbringt zahlreiche Vorteile für die EU-Bürger. Die Europäische Erbrechtsverordnung gilt für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark und Irland für die Abwicklung von Erbrechtsfällen innerhalb und außerhalb der EU. Die Europäische Erbrechtsverordnung ist aus deutscher Sicht seit dem 17.08.2015 auf alle Erbfälle anzuwenden.
Die Europäische Erbrechtsverordnung vereinfacht das Nachlassverfahren und die jeweilige Nachlassabwicklung durch das Folgende:
- Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers statt an die Staatsangehörigkeit
- Möglichkeit einer Rechtswahl für das Recht der eigenen Staatsangehörigkeit trotz letztem Aufenthaltsort im Ausland
- Zuständig für Erbabwicklung sind grundsätzlich die Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers
- Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Entscheidungen europaweit
- die Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Nachlass wurde aufgegeben, um Nachlassspaltungen zu vermeiden.
- Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, kurz ENZ