nach oben

Erbrecht in der Schweiz: Gesetzliche Regelungen, Pflichtteil und Testament einfach erklärt

Das Erbrecht in der Schweiz ist im Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt und gilt einheitlich im ganzen Land. In einigen Bereichen – etwa bei der Erbschaftssteuer – gibt es jedoch kantonale Unterschiede. Wer in der Schweiz erbt, ob ein Testament nötig ist, was beim Pflichtteil zu beachten ist oder wie der Nachlass geregelt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

In diesem Ratgeber erhalten Sie einen verständlichen Überblick über die wichtigsten Punkte des schweizerischen Erbrechts – von der gesetzlichen Erbfolge ohne Testament über die Gestaltungsmöglichkeiten eines letzten Willens bis hin zu typischen Konflikten und Lösungen bei der Nachlassabwicklung. Auch auf Unterschiede zum deutschen Erbrecht wird kurz eingegangen.

Array

Autor dieser Seite:

Urs Kaufmann
Rechtsanwalt & Notar, Spezialist für Erbrecht und Steuern, Berufsrichter em. in St. Gallen

1. Gesetzliche Erbfolge in der Schweiz: Wer erbt ohne Testament?

Wenn kein Testament vorhanden ist, greift in der Schweiz die gesetzliche Erbfolge gemäß dem Zivilgesetzbuch (ZGB). Dabei gilt das sogenannte Parentelsystem, das die Erben in drei Ordnungen (Parentelen) unterteilt:

  • 1. Parentel: Kinder und Enkelkinder des Erblassers. Sie erben zuerst.
  • 2. Parentel: Wenn keine Nachkommen vorhanden sind, erben die Eltern des Erblassers sowie deren Nachkommen (z. B. Geschwister, Nichten, Neffen).
  • 3. Parentel: Gibt es auch hier keine Erben, geht das Erbe an die Großeltern und deren Nachkommen.

Unabhängig davon ist auch ein Ehepartner oder eingetragener Partner gesetzlich erbberechtigt. Der genaue Anteil richtet sich danach, welche weiteren Erben vorhanden sind.

Beispiel: Hat der Erblasser Kinder und war verheiratet, erben der Ehepartner und die Nachkommen jeweils ½ des Nachlasses. Der Anteil der Kinder wird unter ihnen aufgeteilt – unabhängig davon, wie viele es sind.

Hinterlässt der Erblasser keine gesetzlichen Erben, fällt der Nachlass an das Gemeinwesen am letzten Wohnsitz in der Schweiz.

Wichtig: War der Erblasser verheiratet oder in einer eingetragenen Partnerschaft, ist vorab das Ehegüterrecht zu berücksichtigen. Der Anteil des überlebenden Ehepartners aus dem gemeinsamen Vermögen wird zuerst ermittelt. Erst was danach übrig bleibt, gilt als Nachlass und wird unter den Erben aufgeteilt.

Rechtsberatung im Schweizer Erbrecht

Sie möchten ein Testament erstellen oder haben Fragen zur Erbfolge in der Schweiz? Dr. Urs Kaufmann – Rechtsanwalt, Notar und Spezialist für Erbrecht – steht Ihnen bei allen erbrechtlichen Anliegen zur Seite.

Dr. Urs Kaufmann kontaktieren

2. Testament in der Schweiz erstellen: Formen, Schritte und Kosten

In der Schweiz gibt es drei Möglichkeiten, ein Testament rechtsgültig zu errichten:

  • Eigenhändiges Testament: Es muss vollständig von Hand geschrieben, datiert und unterschrieben sein. Dieses kann zu Hause aufbewahrt oder bei der zuständigen Behörde am Wohnsitz deponiert werden. Die Kosten für eine amtliche Hinterlegung betragen je nach Kanton zwischen 100 und 150 Franken.
  • Öffentliche letztwillige Verfügung: Sie wird in Anwesenheit einer Urkundsperson und zweier Zeugen erstellt. Diese Form bietet mehr Rechtssicherheit, insbesondere bei komplexen Vermögensverhältnissen.
  • Erbvertrag: Auch dieser wird mit Urkundsperson und zwei Zeugen abgeschlossen – meist zwischen mehreren Personen, etwa Ehepartnern oder Eltern und Kindern.

Alle Formen sind rechtlich gültig, sofern sie korrekt erstellt wurden. Die öffentliche Verfügung und der Erbvertrag werden in der Regel amtlich hinterlegt, was für zusätzliche Sicherheit sorgt.

3. Pflichtteil und Enterbung in der Schweiz: Was ist erlaubt – und was nicht?

Wer ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzt, kann bestimmen, wie der eigene Nachlass verteilt wird – allerdings nur im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtteile. Diese Pflichtteile schützen bestimmte Personen davor, vollständig enterbt zu werden.

Pflichtteilsberechtigt – also sogenannte Noterben – sind in der Schweiz nur:

  • die eigenen Nachkommen (Kinder, Enkel),
  • sowie der Ehepartner oder eingetragene Partner.

Der Pflichtteil beträgt jeweils die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Alle anderen gesetzlichen Erben – zum Beispiel Geschwister – können vollständig enterbt werden.

Ein Pflichtteilsanspruch kann nur in zwei Fällen entzogen werden:

  1. Einvernehmlich, durch einen schriftlichen Erbverzichtsvertrag, oder
  2. Zwangsweise, durch eine Enterbung aus wichtigem Grund (z. B. schwere Verfehlungen gegen den Erblasser). Die Voraussetzungen sind in Art. 477 ff. ZGB geregelt.

Der gesamte Nachlass teilt sich in zwei Bereiche:

  • die gebundene Quote, die aus den Pflichtteilen besteht,
  • die freie (disponible) Quote, über die der Erblasser frei verfügen kann – zum Beispiel zugunsten einer nicht verwandten Person, eines Vereins oder einer Stiftung.

Pflichtteil, Enterbung oder Streitfall?

Dr. Urs Kaufmann berät Sie persönlich zum Schweizer Erbrecht – insbesondere bei Pflichtteilsfragen, Enterbung oder der Absicherung Ihrer Nachlassregelung.

Zum Profil von Dr. Urs Kaufmann

4. Schenkungen zu Lebzeiten in der Schweiz: Was gilt für Pflichtteil und Ausgleichung?

In der Schweiz kann eine Person zu Lebzeiten grundsätzlich frei über ihr Vermögen verfügen. Sie darf es verschenken – auch an Personen, die nicht zur Familie gehören – oder im Rahmen eines Erbvorbezugs an gesetzliche Erben weitergeben.

Werden solche lebzeitigen Zuwendungen an gesetzliche Erben gemacht, müssen diese im späteren Erbgang in der Regel ausgeglichen werden. Das bedeutet: Die Schenkung wird rechnerisch angerechnet, damit alle gesetzlichen Erben am Ende gleich behandelt werden.

Der Erblasser kann jedoch ausdrücklich festlegen, dass bestimmte Nachkommen von der Ausgleichung befreit sind. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten: Pflichtteilsansprüche dürfen durch solche Regelungen nicht verletzt werden. Geschieht das dennoch, können die betroffenen Pflichtteilsberechtigten eine Herabsetzungsklage einreichen, um ihren gesetzlichen Mindestanteil einzufordern.

5. Erbe in der Schweiz: Rechte, Pflichten und Fristen im Überblick

In der Schweiz geht die Erbschaft mit dem Tod des Erblassers automatisch auf die gesetzlichen oder eingesetzten Erben über – ohne dass sie die Erbschaft zuvor ausdrücklich annehmen müssen. Juristisch nennt man das Universalsukzession: Die Erben treten gemeinschaftlich in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein und bilden zunächst eine Erbengemeinschaft.

Liegt ein Testament oder Erbvertrag vor, wird dieses nach dem Tod durch die zuständige Behörde eröffnet – in der Regel gegenüber den Erben sowie weiteren begünstigten Personen.

Ab diesem Zeitpunkt gelten wichtige Fristen:

  • Die Ausschlagung einer Erbschaft, etwa bei Überschuldung, ist innerhalb von drei Monaten möglich.
  • Eine Herabsetzungsklage (bei Pflichtteilsverletzung) oder Ungültigkeitsklage (z. B. bei Formfehlern im Testament) muss innerhalb von einem Jahr eingereicht werden.

Für alle erbrechtlichen Streitigkeiten ist stets das Zivilgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers in der Schweiz zuständig.

Rechtssichere Nachlassregelung in der Schweiz

Ob Testament, Erbvertrag oder lebzeitige Schenkung: Dr. Urs Kaufmann unterstützt Sie dabei, Ihren letzten Willen rechtssicher und steuerlich sinnvoll zu gestalten.

Mehr über Dr. Urs Kaufmann erfahren

6. Immobilie erben in der Schweiz: Erbnachweis, Grundbuch und Kosten

Wer in der Schweiz eine Immobilie erbt, muss den Eigentumsübergang beim zuständigen Grundbuchamt eintragen lassen. Zuständig ist das Amt in dem Bezirk, in dem sich die Immobilie befindet.

Dafür ist ein Erbnachweis erforderlich:

  • Hatte der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz, genügt ein amtlicher Erbschein.
  • Hatte er seinen Wohnsitz in einem EU-Land und liegt keine Nachlasszuständigkeit der Schweiz vor, wird auch das europäische Nachlasszeugnis (ENZ) gemäß der EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) anerkannt.

Im ersten Schritt wird der Erbgang im Grundbuch eingetragen. Danach erstellt das Amt eine Urkunde zur Eigentumsübertragung, die von allen Erben unterschrieben werden muss.

Für die Übertragung fallen folgende Kosten an:

  • eine Handänderungssteuer in Höhe von 0,5 % des amtlichen Verkehrswerts der Immobilie,
  • Gebühren für Beurkundung und Grundbucheintrag, die je nach Kanton unterschiedlich sind.

Gut zu wissen: Die Grundstückgewinnsteuer wird bei der Übertragung im Rahmen einer Erbteilung aufgeschoben und erst fällig, wenn die Immobilie später verkauft wird.

7. Erbschaftssteuer in der Schweiz: Wer zahlt – und in welchem Kanton?

Die Erbschaftssteuer ist in der Schweiz kantonal geregelt, also nicht einheitlich. Das bedeutet: Jeder Kanton bestimmt selbst, ob und in welcher Höhe eine Steuer auf Erbschaften anfällt.

Nur zwei Kantone – Schwyz und Obwaldenerheben überhaupt keine Erbschaftssteuer. In allen anderen Kantonen kann eine Steuer anfallen, abhängig von:

  • dem Verwandtschaftsverhältnis zur verstorbenen Person,
  • dem Wert des geerbten Vermögens,
  • und der kantonalen Gesetzgebung.

In fast allen Kantonen gilt: Ehepartner und direkte Nachkommen (Kinder, Enkel) sind vollständig von der Erbschaftssteuer befreit. In einigen Fällen gelten Ausnahmen auch für Stiefkinder. Dagegen zahlen entferntere Verwandte oder nicht verwandte Personen (z. B. Freunde, Lebensgefährten ohne Partnerschaftseintrag) häufig hohe Steuersätze.

8. Überschuldeter Nachlass in der Schweiz: Wann kann man eine Erbschaft ausschlagen?

Nicht jede Erbschaft bringt Vermögen mit sich – manchmal überwiegen die Schulden. Besteht Unsicherheit, ob ein Nachlass überschuldet ist, haben Erben in der Schweiz mehrere Möglichkeiten, um ihre Haftung zu begrenzen oder die Erbschaft auszuschlagen.

Innerhalb von einem Monat nach dem Todesfall kann jeder Erbe beim zuständigen Gericht die Aufnahme eines öffentlichen Inventars beantragen. Dieses offizielle Verzeichnis listet alle bekannten Vermögenswerte und Schulden des Erblassers auf. Wichtig: Der Antrag ist nur möglich, solange die Erbschaft noch nicht ausgeschlagen wurde.

Nachdem das Inventar vorliegt, müssen die Erben innerhalb eines weiteren Monats entscheiden:

  • ob sie die Erbschaft vorbehaltlos annehmen,
  • unter öffentlichem Inventar annehmen (Haftung nur für die im Inventar aufgeführten Schulden),
  • ausschlagen,
  • oder eine amtliche Liquidation beantragen (Nachlass wird durch Behörden abgewickelt).

Werden Schulden bereits vorab erkannt, kann die Erbschaft auch sofort ausgeschlagen werden – ohne Inventar. Die Frist dafür beträgt drei Monate ab Kenntnis des Todes bzw. einen Monat ab Vorliegen eines beantragten Inventars.

Wichtig: Wer ausschlägt, haftet nicht für die Schulden des Erblassers. Der Anteil eines ausgeschlagenen gesetzlichen Erben fällt an dessen eigene gesetzlichen Erben. Bei eingesetzten Erben geht der Anteil an die übrigen Erben des Nachlasses über.

9. Rechtsanwalt für Erbrecht in der Schweiz: Kosten und Anlaufstellen

Die Anwaltshonorare sind in der Schweiz regional unterschiedlich und können grundsätzlich frei vereinbart werden. In der Praxis rechnen viele Anwälte nach effektivem Zeitaufwand ab – der jeweilige Stundensatz hängt unter anderem vom finanziellen Interesse, der Komplexität und der Dringlichkeit des Falls ab.

Rein erfolgsabhängige Vergütungen – also eine Bezahlung nur im Erfolgsfall – sind in der Schweiz nicht zulässig.

Fachanwalt für Erbrecht in der Schweiz finden

Wenn Sie eine fundierte rechtliche Beratung im Schweizer Erbrecht suchen, wenden Sie sich an Dr. Urs Kaufmann – Rechtsanwalt und Notar in St. Gallen, Spezialist für Erbrecht und Steuern sowie Mitglied im Netzwerk Deutscher Erbrechtsexperten.

Zum Expertenprofil von Dr. Urs Kaufmann

Zusätzlich bietet der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) eine Online-Suche mit Filtermöglichkeiten nach Kanton, Fachgebiet und Sprache: www.sav-fsa.ch

10. Besonderheiten des Erbrechts in der Schweiz: Was gilt anders als in Deutschland?

Das Schweizer Erbrecht kennt einige Besonderheiten, die es vom deutschen Recht unterscheiden. Besonders hervorzuheben sind zwei Prinzipien:

  • die Höchstpersönlichkeit des Erblasserwillens – also: Nur der Erblasser selbst kann über seinen Nachlass verfügen. Er kann diese Entscheidung nicht an Dritte delegieren, etwa an einen Testamentsvollstrecker. Beispiel: Will jemand eine Spende an eine gemeinnützige Organisation machen, muss er das persönlich und konkret im Testament anordnen.
  • die Vertretungsfeindlichkeit – das heißt: Letztwillige Verfügungen müssen persönlich und eigenhändig getroffen werden. Eine Vertretung durch andere Personen ist unzulässig.

Unterschiede gibt es auch bei der Form: In der Schweiz sind gemeinschaftliche oder wechselseitige Testamente – wie sie in Deutschland unter Ehepartnern üblich sind – nicht erlaubt.

Ein weiterer zentraler Punkt: Die Erbschaft geht nach Schweizer Recht automatisch auf die Erben über (Universalsukzession), ohne dass eine ausdrückliche Annahme nötig wäre. Bis zur Teilung gehört der gesamte Nachlass gemeinschaftlich allen Erben. Wer das Erbe nicht antreten möchte, muss innerhalb der gesetzlichen Fristen eine Ausschlagungserklärung abgeben.

Sie haben Fragen zum Erbrecht in der Schweiz?

Bei Unsicherheiten zur gesetzlichen Erbfolge, Pflichtteilsansprüchen oder Nachlassabwicklung unterstützt Sie Dr. Urs Kaufmann mit fundierter rechtlicher Beratung.

Mehr über Dr. Urs Kaufmann erfahren

Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker e.V. Erbrechtsmediation Erbrechtsakademie