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Nießbrauch

Nießbrauch – Rechtliches und Tipps für Nießbrauchgeber und Nießbrauchnehmer

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Mit dem sogenannten Nießbrauch ist es Erblassern möglich, ihren späteren Erben bereits zu Lebzeiten beispielsweise eine Immobilie zu übertragen, sich selbst aber die wesentlichen Nutzungsrechte vorzubehalten.

In diesem Beitrag erfahren Sie unter anderem, was genau ein Nießbrauch ist, wie er gesetzlich geregelt ist und wie er steuerlich behandelt wird. 

 

Nießbrauch kurz zusammengefasst:

  • Mit Nießbrauch ist das Recht gemeint, die Nutzungen einer Sache oder eines Rechts zu ziehen.
  • Ein Nießbrauchrecht ist weder veräußerbar noch vererbbar.
  • Es gibt verschiedene Formen des Nießbrauchs, darunter den Vorbehaltsnießbrauch, den Zuwendungsnießbrauch und den Quotennießbrauch.
  • Eigentümer und Nießbrauchnehmer sollten im aufgesetzten und notariell beurkundeten Nießbrauchvertrag genaue Regelungen hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten treffen, um Streit zu vermeiden.
  • Der Nießbrauch hat sowohl erbschaftsteuerliche und schenkungssteuerliche sowie einkommenssteuerliche Relevanz.

 

Was ist Nießbrauch? 

Der Nießbrauch ist ebenso wie das Wohnrecht im 3. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuch unter dem Titel "Sachenrecht" in den §§ 1030 bis 1089 BGB geregelt. Er stellt das unveräußerliche und unvererbliche Recht, die Nutzungen (§ 100 BGB) einer Sache oder eines Rechts zu ziehen, dar.

Die genaue Definition des Nießbrauchs findet sich in § 1030 BGB. Demnach kann eine Sache „in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen“. Außerdem ist es möglich, den Nießbrauch „durch den Ausschluss einzelner Nutzungen“ zu beschränken.

Ein Nießbrauch kann dem Nießbrauchnehmer vom Eigentümer sowohl an Sachen (§§ 1030-1067 BGB) und Rechten (§§ 1068-1084 BGB) als auch an Vermögen (§§ 1085-1089 BGB) gewährt werden. Der Nießbrauchnehmer wird umgangssprachlich auch Nutznießer genannt. 

 

Welche Formen des Nießbrauchs gibt es?

Man unterscheidet folgende Formen des Nießbrauchs:

  • Zuwendungsnießbrauch: Bei dieser Form des Nießbrauchs erhält eine dritte Person (Nießbraucher) das Recht, die Früchte aus der Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks zu ziehen. Der Zuwendungsnießbrauch kann dem Nießbraucher unentgeltlich, teilentgeltlich oder entgeltlich gewährt werden.
  • Vorbehaltsnießbrauch: Überträgt ein Eigentümer ein Grundstück oder eine Immobilie auf einen neuen Eigentümer, kann er sich selbst ein uneingeschränktes Nießbrauchsrecht vorbehalten.
  • Nachrangiger Nießbrauch: Hier wird eine dritte Person festgelegt, auf die das Nießbrauchsrecht übergeht, wenn der erste Nießbraucher verstirbt.  
  • Bruchteilsnießbrauch: Beim Bruchteilsnießbrauch wird der Nießbrauch dahingehend beschränkt, dass er sich nur auf einen Teil eines Hauses oder Grundstücks bezieht.
  • Quotennießbrauch: Der Eigentümer vereinbart mit dem Nießbraucher eine bestimmte Quote, die der Nießbraucher von den Mieteinnahmen oder sonstigen mit einer Immobilie oder Grundstück erwirtschafteten Einnahmen erhält. 
  •  

Wie wird der Nießbrauch steuerlich behandelt? 

Nießbrauch ist sowohl aus erbschafts- und schenkungssteuerlicher Sicht als auch aus einkommenssteuerlicher Sicht relevant. Wird ein Nießbrauch also beispielsweise in einem Testament oder Erbvertrag festgelegt, hat der Nießbraucher Erbschaftsteuer zu entrichten.

Was die Relevanz bezüglich der Einkommenssteuer betrifft, kommt es bei der Besteuerung darauf an, welche Form des Nießbrauchs vereinbart wurde. Ein Fachanwalt für Erbrecht in Ihrer Nähe kann Sie zu diesem Thema jederzeit umfassend beraten und Ihnen gegebenenfalls dabei helfen, die Steuerlast zu reduzieren. 

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Nießbrauch ist grundsätzlich nicht vererbbar und veräußerbar. Ein eingeräumter Nießbrauch wird im Grundbuch eingetragen und erlischt mit dem Tod des Nießbrauchsberechtigten.

Bei Fragen zum Nießbrauch oder der Ausgestaltung eines Nießbrauchrechts nehmen Sie unbedingt Kontakt zu einem Anwalt für Erbrecht in Ihrer Nähe auf, der Sie kompetent beraten und unterstützen kann.

Welchen Umfang und Inhalt hat der Nießbrauch?

Anders als die Grunddienstbarkeit und die beschränkte persönliche Dienstbarkeit gewährt der Nießbrauch dem Nießbraucher nicht nur einzelne Nutzungsrechte, sondern das Recht zur umfassenden Nutzung des belasteten Gegenstands. Darin enthalten ist das Recht auf Ziehung von „Früchten“ (§ 99 BGB), also der Erzeugnisse und sonstigen Ausbeute des Gegenstandes.

Hierbei gibt es verschiedene Arten von "Früchten", die dem Nießbrauchberechtigten je nach Nießbrauch gemäß § 99 BGB zustehen: die Früchte einer Sache, die Früchte eines Rechts oder die Früchte eines Vermögens.

 

Was geschieht beim Versterben des Eigentümers oder Nießbrauchers?

Verstirbt der Nießbrauchsberechtigte, so erlischt das Nießbrauchsrecht gemäß § 1061 BGB automatisch. Ein Nießbrauchsrecht ist also nicht vererbbar. Gleiches gilt, wenn beispielsweise eine rechtsfähige Personengesellschaft Nießbraucher ist. Wird die Gesellschaft aufgelöst, so erlischt auch automatisch der Nießbrauch.

Anders sieht es aus, wenn der Eigentümer verstirbt, der Nießbraucher aber noch lebt. Hier kommt es darauf an, was in der Nießbrauchsvereinbarung festgehalten worden ist. Ein lebenslang eingeräumtes Nießbrauchsrecht erlischt mit dem Tod des Eigentümers nicht, sondern bleibt bestehen. Ebenso verhält es sich, wenn ein Nießbrauchsrecht ohne zeitliche Begrenzung eingeräumt wurde. Wurde jedoch eine zeitliche Begrenzung vereinbart, beispielsweise bis zum Tod des Eigentümers, so erlischt das Nießbrauchsrecht mit dessen Tod.

 

Nießbrauch – was hat es mit der Wertminderungstabelle auf sich?

Bei der Übertragung einer Immobilie bei vorbehaltenem Nießbrauchsrecht mindern sich der Wert der Immobilie um den sogenannten kapitalisierten Wert des Nießbrauchs. Aus diesem Grund kann der Nießbrauch von großer steuerlicher Bedeutung sein.

Möchte ein Vater seinem Sohn beispielsweise zu Lebzeiten eine Immobilie vermachen, deren Wert den Steuerfreibetrag des Sohns von 400.000 € übersteigt, kann er sich ein Nießbrauchrecht auf die Immobilie eintragen lassen und den Wert der Immobilie so mindern, dass er die Immobilie möglicherweise steuerfrei an den Sohn verschenken kann.

Wie hoch der Nießbrauchwert ist, hängt von den Einnahmen bzw. Einsparungen ab, die der Nießbrauch mit sich bringt. Ebenso spielen das Alter und Geschlecht des Nießbrauchers eine Rolle.

Die eigentliche Einsparung bei der Steuer ergibt sich aus dem sogenannten Barwert der Immobilie, der von der Erbschafts- bzw. Schenkungsteuer abgezogen wird. Der Wert des Nießbrauchs wird in drei Schritten berechnet:

 

  1. Berechnung des Jahreswerts

    Der Jahreswert einer Immobilie wird mit der Jahresmiete (reale oder mögliche Miete) berechnet. Eine Immobilie mit einer Monatsmiete von 1000 € hat also beispielsweise eine Jahresmiete bzw. einen Jahreswert von 12.000 €. Dabei gilt zu beachten, dass die Jahresmiete den Verkehrswert der Immobilie geteilt durch 18,6 nicht übersteigen darf. Läge der Verkehrswert unserer Beispielsimmobilie beispielsweise bei 200.000 €, käme man bei einer Division durch 18,6 auf 10.752 €. Die Jahresmiete liegt also über dem Wert, weswegen der Jahreswert hier auf 10,752 € festgelegt werden würde.

  2. Ermittlung des Vervielfältigers

    Um den Kapitalwert zu ermitteln, muss nun der sogenannte Vervielfältiger herangezogen werden.

    Für begrenzte Laufzeiten eines Nießbrauchst gelten folgende Werte:

    Laufzeit Nießbrauch   Kapitalwert
    10 Jahre 7,745
    20 Jahre 12,279
    30 Jahre 14,933
    40 Jahre 16,487
    50 Jahre 17,397

     

    Bei lebenslang eingeräumtem Nießbrauch werden beispielhaft folgende Werte herangezogen, die die erwartete Restlebensdauer des Nießbrauchers berücksichtigen:

    Alter Männer Frauen
    30 17,342 17,633
    40 16,435 16,909
    50 14,979 15,723
    60 12,833 13,871
    70 10,008 11,155
    80 6,509 7,448
  3.  

  4. Berechnung des Kapitalwerts

    Der Kapitalwert wird nun berechnet, indem der Jahreswert mit dem Vervielfältiger aus der Wertminderungstabelle multipliziert wird. Wäre der Nießbraucher unserer Beispielsimmobilie 60 Jahre alt, männlich und hätte ein lebenslanges Nießbrauchrecht, ergäbe sich folgender Nießbrauchwert:

    10,752 € (Jahreswert der Immobilie) x 12,779 (Kapitalwert) = 137.399,81 € (Kapitalwert des Nießbrauchs).

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Vorsicht beim Nießbrauch und dem Pflichtteilergänzungsanspruch: Wird von den Eltern z.B. ein Haus an eines der Kinder oder an andere Abkömmlinge übertragen und daran der Nießbrauch vorbehalten, ist dies zwar eine in der Praxis gängige und übliche Vorgehensweise, um Vermögen in die nächste Generation zu übertragen. Das kann im Todesfall aber zum "Bumerang" werden, insbesondere im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsansprüche derjenigen Kinder, welche die Immobilie nicht erhalten haben: Zum einen ist zu beachten, dass in dieser Konstellation die Abschmelzungsfrist der 10 Jahre gar nicht beginnt, denn der Übergeber (die Eltern) haben keine Schenkung im Rechtssinne vorgenommen; sie verzichten nicht auf den "Genuss" des übergebenen Hauses, sondern nutzen es wie vor der Übergabe auch. Die anderen Kinder könnten also auch noch nach Ablauf von 10 Jahren an der Schenkung Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen. Außerdem gilt es, bei Immobilienübergaben gegen Nutzungsrechte (z.B. Nießbrauch), das Niederstwertprinzip zu beachten.

Wie wird ein Nießbrauch festgelegt und aufgehoben?

Für die Festlegung eines Nießbrauchs ist ein Nießbrauchvertrag notwendig, in dem genau festgehalten werden muss, wofür das Nutzungsrecht gilt, ob der Nießbrauch entgeltlich, unentgeltlich oder teilentgeltlich gewährt wird, wie lange der Nießbrauch gilt und welche Rechte und Pflichten dem Eigentümer bzw. Nießbraucher auferlegt werden. Der Nießbrauchvertrag bedarf einer notariellen Beurkundung.

Soll ein Nießbrauch aufgehoben werden, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sind beide Parteien einverstanden, kann ein Nießbrauch jederzeit gelöscht werden. Einen eingeräumten Nießbrauch gegen den Willen des Nießbrauchers widerrufen oder entziehen kann der Eigentümer nur dann, wenn er sich mit einer Widerrufsmöglichkeit vertraglich abgesichert und festgehalten hat, dass er den Nießbrauch unter bestimmten Bedingungen rückgängig machen kann. Auch, wenn der Nießbraucher seinen Pflichten nicht nachkommt oder anderweitig unsachgemäß handelt, kann ein Nießbrauchrecht aufgehoben werden.

 

Pflichten beim Nießbrauch – wer trägt welche Kosten?

Wer beim Nießbrauch welche Pflichten zu tragen hat, sollte im notariellen Vertrag detailliert geregelt werden. So können Eigentümer und Nießbrauchberechtigter beispielsweise vereinbaren, wer welche Versicherungen und wer für Instandhaltungsmaßnahmen aufkommen muss.

Werden keine Regelungen im Vertrag aufgenommen, greifen die gesetzlichen Regelungen. So hat der Nießbraucher beispielsweise gemäß § 1041 BGB „für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen“ und muss gemäß §1045 BGB die Sache des Nießbrauchs gegen Brand und Unfälle versichern.

Es ist allerdings empfehlenswert, vertraglich genau festzuhalten, welche Kosten der Eigentümer und welche der Nießbraucher zu tragen hat, da es in der Praxis insbesondere mit Hinblick auf den § 1041 BGB immer wieder zu Streitigkeiten kommt.

 

Was ist der Unterschied von Nießbrauch und Wohnrecht?

Sowohl das Wohnrecht als auch das Nießbrauchrecht sind Nutzungsrechte an einer Immobilie Allerdings geht das Nießbrauchrecht über das Wohnrecht hinaus, weil der Nießbrauchnehmer nicht nur das Recht hat, in der Immobilie zu wohnen, sondern auch das Recht der Fruchtziehung aus dem Objekt hat. 

 

Was kann ein Erbrechtsexperte beim Thema Nießbrauch für Sie tun?

Es gibt viele Gründe, eine Vermögensübertragung zu Lebzeiten vorzunehmen, sich aber selbst das Recht vorzubehalten, über die Sache zu verfügen. Wenn Sie die vorweggenommene Erbfolge mit einem Nießbrauchrecht verbinden möchten, sollten Sie die Hilfe eines Fachanwalts für Erbrecht in Ihrer Nähe in Anspruch nehmen. Dieser kann Ihnen helfen, individuelle Regelungen für den Nießbrauch zu treffen und vertraglich festzuhalten.

Außerdem kann ein Fachanwalt für Erbrecht im Hinblick auf den Nießbrauch Folgendes für Sie tun:

  • Ihnen helfen, ein im Grundbuch eingetragenen Nießbrauch Dritten gegenüber durchzusetzen,
  • einen wasserdichten Nießbrauchvertrag aufsetzen, in dem die Rechte und Pflichten von Eigentümer und Nießbrauchnehmer genau bestimmt sind,
  • Ihnen beim Berechnen des Nießbrauchs beziehungsweise der Ermittlung des Kapitalwerts behilflich sein und
  • Sie bei Fragen zu den unterschiedlichen Formen des Nießbrauchs beraten.

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