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26.7.2004

Keine materielle Rechtskraft von Entscheidungen im Erbscheinsverfahren

Entscheidungen im Erbscheinsverfahren erwachsen nicht in materielle Rechtskraft. Deshalb ist es nach Ansicht des BayObLG möglich, die Einziehung eines Erbscheins selbst dann noch zu beantragen, wenn in der Vergangenheit (im entschiedenen Fall vor 27 Jahren) alle Beteiligten mit dem Inhalt des ursprünglichen Erbscheins einverstanden waren und ihr Verhalten darauf eingestellt haben. In einem neu beantragten Einziehungsverfahren kann die Richtigkeit des Erbscheins auch aus den bisher schon erörterten Gründen erneut überprüft werden.

Deshalb darf ein Erbscheinsantrag, der mit einem früheren formell rechtskräftig zurückgewiesenen inhaltsgleich ist, nicht lediglich mit dem Hinweis auf die frühere Entscheidung zurückgewiesen werden. Im Einzelfall behilft sich allerdings die gerichtliche Praxis damit, das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des neuen Antrags zu verneinen, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat (KG, ZEV 1999, 498).

Praxishinweis: Die Klärung des Erbrechts im Erb-scheinsverfahren und die Erbenfeststellungsklage im streitigen Zivilprozess stehen grundsätzlich selbständig nebeneinander. Auch wenn das Erbscheinsverfahren wegen des dort geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes und wegen möglicher Kostenvorteile in der Praxis häufig bevorzugt wird, sollte der Berater prüfen, ob zur Erlangung einer materiell rechtskräftigen Entscheidung über das Erbrecht nicht zusätzlich oder sogar vorrangig ein Feststellungsprozess geboten ist, um den Beteiligten eine gesicherte Entscheidungsgrundlage zu verschaffen.

(BayObLG Beschluss vom 21.03.2003, 1Z BR 75, 02 = ZEV 2003, 369)

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