Beginn der 10-Jahresfrist beim Pflichtteilsergänzungsanspruch
Gem. § 2325 III BGB sind grundsätzlich nur diejenigen Schenkungen ergänzungspflichtig, die der Erblasser in seinen letzten 10 Lebensjahren vorgenommen hat. Nutzungs- und Mitspracherechte des Schenkers können diese Frist erheblich verlängern. Deshalb gilt: Wer zuviel beschwert, schenkt verkehrt.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch - Auswirkungen von Schenkungen auf den Pflichtteil
I. Beginn der Zehnjahresfrist
Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1988, 821) ist für den Beginn der Ausschlussfrist neben der Leistungshandlung der Eintritt des rechtlichen Leistungserfolgs erforderlich. Der BGH hat deshalb bei einer Grundstücksschenkung für den Fristbeginn auf die Umschreibung im Grundbuch abgestellt. Die Eintragung einer Auflassungsvormerkung genügt dagegen nicht, da sie noch keine dingliche Rechtsänderung bewirkt.
Bei Schenkungen an Ehegatten beginnt gem. § 2325 III 2. HS BGB die 10-Jahresfrist nicht vor Auflösung der Ehe. Wird also die Ehe erst durch den Tod des einen Ehegatten aufgelöst, sind alle während der gesamten Ehezeit vom Erblasser an den überlebenden Ehegatten gemachten Schenkungen ergänzungspflichtig, mögen diese auch Jahrzehnte zurückliegen.
II. Fallgruppen zum Fristbeginn
Der BGH (NJW 1987, 122) hat die 10-Jahresfrist dahingehend erweitert, dass auch Schenkungen, die nicht endgültig aus dem wirtschaftlichen Verfügungsbereich des Erblassers ausgegliedert wurden und bei denen kein sog. �Genussverzicht� vorliegt, stets dem Pflichtteilsergän-zungsanspruch unterliegen (Literaturfundstellen zu den nachfolgenden Fallgruppen bei J. Mayer, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 8 Rn. 121 � 134).
1. Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
Bei einem Vorbehaltsnießbrauch gibt der Erblasser den �Genuss� des verschenkten Gegenstandes gerade nicht auf. In welchem Verhältnis der Wert des Nießbrauches zum Wert des Grundstücks steht, ist dabei erst für die Bewertung der Zuwendung gem. § 2325 II 2 BGB von Bedeutung (vgl. dazu NJW-Spezial 2004 Heft 1, S. 14).
Nach Ansicht des BGH wird der Fristbeginn gehindert, wenn der Erblasser den verschenkten Gegenstand im �Wesentlichen� weiter nutzt. Hieraus schließen Teile der Literatur für den Fall des sog. Quotennießbrauchs, dass der Fristbeginn gehemmt ist, wenn sich der Übergeber mehr als 50 % der Nutzung vorbehalte; andere Meinungen lassen bereits einen Anteil von 10 � 20 % genügen.
2. Vorbehalt eines Wohnrechts
Nach h.M. ist die Einräumung eines Wohnungsrechts dem Nießbrauch gleichzustellen. Die 10-Jahresfrist beginnt also erst zu laufen, wenn das Wohnungsrecht erlischt oder der Berechtigte davon keinen Gebrauch mehr macht. Wird ein nur anteiliges Wohnrecht vorbehalten, nehmen einige Literaturstimmen eine Fristhemmung an, wenn die dem Wohnungsrecht unterliegende Nutzfläche verglichen mit der Restwohnfläche überwiegt; andere sehen die Grenze für eine unschädliche Eigennutzung schon bei 10 � 30 %. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf (FamRZ 1999, 1546) wird der Fristbeginn nicht dadurch gehemmt, wenn das Wohnrecht nur an einer von zwei übergebenen Wohnungen vorbehalten wird.
3. Rückerwerbsrechte des Schenkers
Die Frage, ob Rückfall- oder Widerrufsklauseln in ei-nem Übergabevertrag den Fristbeginn hemmen, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Teile der Literatur verneinen den Fristbeginn, da es an der erforderlichen Ausgliederung aus dem Vermögen des Schenkers fehle. Nach der Gegenmeinung unterliegen nur diejenigen Zuwendungen der Pflichtteilsergänzung, die nach Ausübung des Rückerwerbsrechts wieder in den Nachlass fallen.
4. Schenkung gegen Leibrente
Bei der Schenkung fremdgenutzter Immobilien kann statt eines Nießbrauchs auch eine Leibrente in Höhe der Erträge vereinbart werden. Ob hierdurch ein Fristbeginn erreicht werden kann, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet, muss aber im Hinblick auf das Erfor-dernis des �Genussverzichts� bezweifelt werden.
5. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall
Bei diesen Verträgen, insb. bei Lebensversicherungen sollen nach überwiegender Meinung nur die innerhalb der 10-Jahresfrist geleisteten Prämienzahlungen ergänzungspflichtig sein.
6. Zuwendung eines Oder-Kontos
Verschenkt der Erblasser seinen Anteil am Guthaben auf einem �Oder-Konto� über das er noch bis zum Erbfall mitverfügen konnte, beginnt die Frist des § 2325 III BGB erst mit dem Erbfall, da vorher kein endgültiges Vermögensopfer zugunsten des Dritten vorlag.
III. Fazit
Das Auskunftsbegehren des Pflichtteilsberechtigten gem. § 2314 BGB muss im Hinblick auf Schenkungen an den Ehegatten und etwaige Zuwendungen ohne �Genussverzicht� über den 10-Jahreszeitraum hinaus ausgedehnt werden, damit der Berater den relevanten fiktiven Nachlass vollständig ermitteln kann.
(Quelle: NJW-Spezial Erbrecht, 2004, Heft 6)
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