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23.7.2007

Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen und Vermächtnis

Bei eigenhändigen Testamenten taucht in der Praxis häufig die Auslegungsfrage auf, wie eine Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen von einem Vermächtnis abzugrenzen ist.

Juristische Laien verwenden bei der eigenhändigen Abfassung von Testamenten die Begriffe „vererben“ und „vermachen“ synonym. Deshalb kommt es auf die Wortwahl des Erblassers insoweit grundsätzlich nicht an.

Die Entscheidung des OLG München beschäftigt sich mit der Frage, ob eine Erbeinsetzung oder nur ein Vermächtnis vorliegt, wenn der Erblasser in seinem Testament das Hausgrundstück einer Person, das wertmäßig überwiegende Geldvermögen vier anderen Personen vermacht und mit dieser Verteilung praktisch über seinen gesamten Nachlass verfügt hat. Das OLG führt zunächst aus, dass vor der Anwendung der Auslegungsregel des § 2087 II BGB vorrangig die individuelle Auslegung ist. Hat der Erblasser testamentarisch Einzelzuwendungen von Gegenständen oder Vermögensgruppen vorgenommen, die nach seiner Vorstellung bei Testamentserrichtung praktisch sein gesamtes Vermögen ausmachen, ist entgegen § 2087 II BGB regelmäßig von Erbeinsetzung auszugehen (Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl., 2007, § 2087, Rdnr. 3). Denn es kann nicht angenommen werden, dass der Erblasser seinen gesamten wesentlichen Nachlass verteilt, ohne einen oder mehrere Erben einsetzen zu wollen. Die Auslegung kann ergeben, dass ein Bedachter Alleinerbe ist, wenn ihm ein das übrige Vermögen an Wert so sehr übersteigender Gegenstand zugewandt ist, dass die Annahme nahe liegt, der Erblasser habe im Wesentlichen in diesem Gegenstand seinen Nachlass erblickt. Sie kann auch ergeben, dass alle Bedachten Erben sind, wobei dann die Erbquoten anhand des wirtschaftlichen Wertverhältnisses der zugewandten Gegenstände oder Vermögensgruppen zu ermitteln sind (BGH, FamRZ, 1990, 396; Palandt/Edenhofer, § 2087, Rdnr. 5). Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung setzte sich im zu entscheidenden Fall das wesentliche Vermögen der Erblasserin aus den beiden Positionen Hausgrundstück (Wert: 223.000 Euro) und Geldvermögen (770.000 Euro) zusammen. Sie hat also testamentarisch über ihr gesamtes wesentliches Vermögen verfügt, das heißt die Erben ihres Vermögens bestimmen wollen. Das OLG hat demzufolge entschieden, dass alle fünf im Testament benannten Personen Miterben sind und sich ihr Erbanteil nach dem Wertverhältnis der Zuwendungen untereinander bestimmt.

Praxishinweis: In seiner instruktiven Urteilsanmerkung führt Litzenburger (beck-fachdienst Erbrecht 2007, 231545) aus, dass der zentrale Unterschied zwischen der Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung die Gesamtrechtsnachfolge auf der einen und die Singularsukzession auf der anderen Seite ist. Bei der Abgrenzung ist deshalb auf die vom Erblasser mit der Zuwendung verfolgten wirtschaftlichen Zwecke abzustellen. Soll der Bedachte einen bestimmten Gegenstand ungeschmälert durch Nachlassverbindlichkeiten erhalten, handelt es sich um ein Vermächtnis (BayObLG, NJW-RR 2002, 873). Soll der Nachlass dagegen mehr oder weniger umfassend auf eine oder mehrere Personen übergehen, die dann auch noch die Nachlassabwicklung übernehmen soll bzw. sollen, so deutet dies eher auf eine Erbeinsetzung hin. Dabei muss in einem ersten Schritt untersucht und festgestellt werden, ob die Einzelzuwendungen wirtschaftlich betrachtet auf gleicher Stufe stehen (ausführlich dazu Bamberger/Roth/Litzenburger, Online-Kommentar-BGB, § 2087 Rdnr. 11, 17). Damit scheiden nach Ansicht von Litzenburger von vorneherein alle Einzelzuwendungen aus der Betrachtung aus, die der Erblasser eindeutig als Vermächtnisse angeordnet hat, weil es ihm darauf ankam, die Gegenstände dem Bedachten in jedem Fall und ungeschmälert durch Verbindlichkeiten zukommen zu lassen. Litzenburger vertritt im streitgegenständlichem Fall mit guten Argumenten die Ansicht, dass die Haus- und Geldzuwendungen nicht gleichstufig sind, deshalb keine Gesamtvermögensverfügung vorliegt und damit – entgegen der Auffassung des OLG München – in der Hauszuwendung eine Vermächtnisanordnung zu sehen ist.

OLG München, Beschluss vom 21.5.2007 – 31 Wx 120/06

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