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19.11.2018
Erbengemeinschaft - Veräußerung einer Nachlassimmobilie

Übertragung von Grundbesitz durch einen Miterben

Innerhalb einer Erbengemeinschaft besteht oft Uneinigkeit über die Frage, wie der Nachlass verwaltet und genutzt werden darf und unter welchen Voraussetzungen ein Nachlassgegenstand, z.B. eine Immobilie, veräußert werden kann.

Das OLG München hatte sich in seinem Beschluss vom 03.08.2018 (34 Wx 196/18 = ZEV 2018, 615) mit folgendem Sachverhalt zu befassen:

Zum Nachlass des Erblassers gehörte Grundbesitz. Innerhalb der Erbengemeinschaft kam es zu einer Blockade, weil die Miterben kein Einvernehmen erreichen konnten, ob und zu welchen Konditionen sie den Grundbesitz veräußern sollten. Einer von fünf Erben nahm das Heft in die Hand und führte einen Mehrheitsbeschluss in der Erbengemeinschaft herbei, wonach der Grundbesitz an eine Person übertragen werden sollte. Dieser Beschluss wurde privatschriftlich gefasst. Der Miterbe veräußerte nunmehr das Grundstück mit notarieller Urkunde an die Erwerberin und berief sich darauf, für die anderen Miterben zu handeln.

Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung?

Das OLG München hatte zunächst zu prüfen, ob ein Erbe die anderen Erben im Rahmen eines Kaufvertrages vertreten kann. Nach § 2038 Abs. 2 S. 1, § 745 Abs. 1 und 3 BGB können die Miterben über Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung, die nicht außerordentlich sind, mit Stimmenmehrheit beschließen. Nach herrschender Meinung (BGH, NJW 1971, 1265; OLG Nürnberg, ZEV 2014, 508; OLG Stuttgart, ZEV 2015, 288) kann die Mehrheit der Erben bzw. der durch den Mehrheitsbeschluss Beauftragte den Vertrag in  Vertretung für alle Miterben abschließen.

Veräußerung eines Nachlassgegenstandes

Dies setzt allerdings voraus, dass es sich um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung handelt. Ob die Veräußerung eines Nachlassgegenstandes eine ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme sein kann, kann nicht abstrakt beantwortet werden. Ein Mehrheitsbeschluss ist nicht möglich, wenn hierdurch eine wesentliche Veränderung des Nachlasses eintritt. Der BGH (ZEV 2006, 24) stellt für die Frage der Wesentlichkeit der Veränderung auf den gesamten Nachlass darauf ab, dass beim Verkauf eines Nachlassgrundstückes durch die Erbengemeinschaft der Nachlass nur in seiner Zusammensetzung verändert wird, der Substanzwert aber keine Minderung erfährt. Der BGH prüft ergänzend, ob sich der Charakter des Nachlasses unter Umständen deshalb verändert, weil die veräußerte Immobilie dem Nachlass sein „wesentliches Gepräge verleihe“.

Reicht ein Mehrheitsbeschluss aus?

Ist die beschlossene Maßnahme nicht ordnungsgemäß, liegt ein ungültiger Mehrheitsbeschluss vor, der der Mehrheit der Erben keine Vertretungsmacht vermitteln kann. Die Erben handeln in diesem Fall als Vertreter ohne Vertretungsmacht (BGH, NJW 1971, 1265). Ob ein Beschluss der ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung (BGH, ZEV 2010, 36) ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Betrachters entscheidend. Eine Zweckmäßigkeitsprüfung erfolgt nicht (OLG Stuttgart, ZEV 2015, 288).

Erfüllungsgeschäft vom Mehrheitsbeschluss gedeckt?

Können einzelne Miterben Verpflichtungsgeschäfte (z.B. Kaufverträge) im Rahmen des § 2038 BGB mit Mehrheitsbeschluss vornehmen, so haben sie nach herrschender Meinung (BGH, ZEV 2010, 36; BGH, ZEV 2013, 81; BGH, ZEV 2015, 339) das Recht, auch das erforderliche Erfüllungsgeschäft (z.B. Übereignung der Nachlassimmobilie) vornehmen zu können.

Grundbuchmäßige Nachweisanforderungen beachtet?

Das OLG München musste sich schwerpunktmäßig mit der Frage auseinandersetzen, ob die grundbuchmäßigen Nachweisanforderungen vorliegen. Das Grundbuchamt muss gem. § 20 GBO die Vertretungsmacht des Erben, der im Namen der Erbengemeinschaft handelt, prüfen. Sofern sich der Erbe auf einen Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft beruft, muss dem Grundbuchamt zunächst der Mehrheitsbeschluss in öffentlicher Form vorgelegt werden. Ein privatschriftlicher Beschluss genügt nicht (so auch OLG Hamm, ZEV 2014, 419). Dies alleine genügt aber nicht. Für den grundbuchmäßigen Vollzug ist auch ein Nachweis darüber zu erbringen, dass es sich bei der Grundstücksveräußerung erstens nur um eine unwesentliche Veränderung des Nachlasses handelt und zweitens die Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

Durch diese Rechtsprechung wird die grundbuchmäßige Umsetzung von Mehrheitsbeschlüssen einer Erbengemeinschaft erheblich erschwert, da die Ordnungsgemäßheit von zahlreichen Faktoren und den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt. Nach dem OLG München gibt es auch keinen Erfahrungssatz, dass bei einem Mehrheitsbeschluss eine ordnungsgemäße Verwaltung zu vermuten ist und keine wesentliche Veränderung i.S.d. § 745 Abs. 3 S. 1 BGB vorliegt. Eine schlüssige Darlegung der wirtschaftlichen Hintergründe durch die Beteiligten genügt nach Ansicht des OLG München nicht.

Expertentipp von Fachanwalt für Erbrecht Bernhard F. Klinger:

Um Schwierigkeiten beim grundbuchmäßigen Vollzug eines Mehrheitsbeschlusses zu vermeiden, sollte die Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung der Mitwirkungspflicht des sich weigernden Miterben gem. § 2038 Abs. 1 S. 1, HS. 2 BGB der Vorrang eingeräumt werden. Gegebenenfalls besteht sogar die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung. Der gerichtlich erwirkte Titel ersetzt nach § 894 ZPO die Abgabe der Willenserklärung der Miterben. Hierdurch lässt sich im Grundbuchverfahren ein Nachweis durch Vorlage der Entscheidung in öffentlicher Form nebst Rechtskraftvermerk erbringen.



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