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10.06.2024

Sind Stiefkinder erbberechtigt?

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Testamentsvollstrecker in Hilden - Ingo Lahn
Autor:

Ingo Lahn

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Testamentsvollstrecker in Hilden | Hilden

Vater, Mutter, Kind – das war lange Zeit die deutsche Durchschnittsfamilie. Mittlerweile hat sich das gesellschaftliche Bild von Familie gewandelt. Rund 10 Prozent aller Familien mit Kindern sind Patchworkfamilien, und die Zahl der alternativen Familienformen wird in Zukunft wohl noch deutlich steigen.

Da kommt schnell die Frage auf, welche erbrechtliche und erbschaftsteuerliche Stellung Stiefkinder einnehmen und wie Stiefkinder erbrechtlich abgesichert werden können. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema bekommen Sie in diesem Beitrag.

Das Wichtigste in Kürze 

  • Stiefkinder haben kein gesetzliches Erbrecht und sind auch nicht pflichtteilsberechtigt. 
  • Wer möchte, dass seine Stiefkinder erben, muss diese in einem Testament oder Erbvertrag bedenken. 
  • Stiefkinder sind bei der Erbschaftsteuer den leiblichen Kindern und Adoptivkindern gleichgestellt. 
  • Stiefkinder haben ebenso wie leibliche Kinder und Adoptivkinder einen Erbschaftsteuerfreibetrag von 400.000 EUR und werden nach der günstigen Prozentsätzen der Erbschaftsteuerklasse I besteuert. 
  • Eine vollkommene erbrechtliche Gleichstellung von Stiefkindern kann nur durch Adoption erreicht werden.

Sind Stiefkinder gesetzliche Erben?

Stiefkinder gehören nicht zu den gesetzlichen Erben. Bei der gesetzlichen Erbfolge, die bestimmt, wer in der Familie erbt, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt, werden lediglich eigene Abkömmlinge und Adoptivkinder berücksichtigt.

Das bedeutet: Stiefkinder gehen leer aus, wenn sie nicht in einem Testament oder Erbvertrag begünstigt wurden. Da sie kein gesetzliches Erbrecht haben, können sie nicht enterbt werden, so dass sie auch keinen Pflichtteil fordern können. 

 Alles zum Pflichtteil von Kindern im Erbrecht

Was erben Kinder, wenn ihre Mutter vor dem Stiefvater stirbt? 

Wenn die Mutter der Kindervor deren Stiefvater stirbt, stellt sich oft die Frage, was das für die Erbschaft ihrer Kinder bedeutet. Die vormalige Ehe wurde durch den Tod der Mutter beendet. Ihr überlebender Ehemann (der Stiefvater ihrer Kinder) erbt die Hälfte ihres Nachlasses, wenn – wie üblich – kein Ehevertrag abgeschlossen war. Dann galt für die Ehe die Zugewinngemeinschaft.

Nur die andere Hälfte der Erbschaft verteilt sich auf die Anzahl der hinterlassenen Kinder der Ehefrau. Ein gemeinschaftliches Testament der Ehegatten, in dem die Kinder Ehefrau zu deren Erben explizit eingesetzt werden, ist eine Möglichkeit, um diese Situation zu vermeiden und ihnen den mütterlichen Nachlass zukommen zu lassen.

 

Was erben Kinder, wenn der Stiefelternteil zuerst stirbt?

Im umgekehrten Fall, dass also der Stiefvater vor der Kindesmutter verstirbt, haben die Stiefkinder kein gesetzliches Erbrecht und erben von ihm nichts. Sie stammen nicht von ihm ab. Er kann sie jedoch durch ein Testament gesondert bedenken.

Um sicherzustellen, dass die Stiefkinder im jeweiligen Erbfall nicht benachteiligt werden, ist es wichtig, im Testament klare Regelungen zu treffen.

 

Wie können Stiefkinder im Testament berücksichtigt werden?

Wer möchte, dass seine Stiefkinder bei der Erbfolge berücksichtigt werden, der muss sie in einem Testament bedenken. Denn die sog. gewillkürte Erbfolge durch Testament oder Erbvertrag geht der gesetzlichen Erbfolge stets vor.

Ist der Stiefelternteil mit dem leiblichen Elternteil verheiratet, können die Eheleute auch ein Ehegattentestament errichten. Ein Ehegattentestament ist ein gemeinsames Testament von Ehepartnern, das nach dem Tod eines Partners i.d.R. bindend ist und vom überlebenden Partner nicht mehr geändert werden kann.

Erfahren Sie mehr über die Erbberechtigung von Stiefkindern

Die erbrechtliche Stellung von Stiefkindern kann komplex und verwirrend sein. Lassen Sie sich von einem unserer Experten persönlich beraten, um die beste Entscheidung für Ihre familiäre Situation zu treffen. Finden Sie jetzt den passenden Rechtsbeistand in unserem Netzwerk!

 

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Erbschafteuer & Stiefkinder: Wie werden Stiefkinder behandelt?

Da Stiefkinder in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zur Stiefmutter oder zum Stiefvater stehen, wären sie eigentlich der "schlechten" Erbschaftsteuerklasse III zuzuordnen und hätten einen Steuerfreibetrag von nur 20.000 EUR. Dem ist aber nicht so: Der Gesetzgeber hat Stiefkinder begünstigt. Sie sind erbschaftsteuerlich den leiblichen Kindern und Adoptivkindern gleichgestellt und haben, sofern sie per Testament oder Erbvertrag als Erben (oder Vermächtnisnehmer) eingesetzt werden, einen Erbschaftsteuerfreibetrag von 400.000 EUR und zählen zur Erbschaftsteuerklasse I (§ 15 Abs. 1 ErbStG).

Beispiel:

Michael ist geschieden oder verwitwet und hat eine leibliche Tochter und einen Stiefsohn. Er möchte, dass beide sein Haus im Wert von 900.000 EUR, das sein wesentliches Vermögen darstellt, zu gleichen Teilen erben. Da sein Stiefsohn nicht sein gesetzlicher Erbe ist, setzt Michael ein Testament auf, in dem er bestimmt, dass sowohl seine leibliche Tochter als auch sein Stiefsohn die Hälfte des Hauses bekommen sollen.

Da Stiefkinder leiblichen Kindern im Hinblick auf die Erbschaftsteuer gleichgestellt sind, haben beide Kinder einen Freibetrag von 400.000 EUR und müssen demzufolge lediglich auf den je verbleibenden Betrag von 50.000 EUR Erbschaftsteuer entrichten. Da auch Stiefkinder der Erbschaftsteuerklasse I zugerechnet werden, müssen beide bei dem Betrag 7 % Steuer entrichten, also 3.500 EUR pro Person (insofern keine weiteren Abzüge wie beispielsweise Versorgungsfreibeträge etc. geltend gemacht werden können).

 Erbschaftsteuer auf einen Blick: Freibeträge, Höhe & Steuerbefreiungen

Wie können Stiefkinder leiblichen Kindern rechtlich gleichgestellt werden?

Wer möchte, dass sein Stiefkind den eigenen Kindern oder Adoptivkindern erbrechtlich vollkommen gleichgestellt ist, muss eine Adoption der Stiefkinder in Betracht ziehen.

Die Adoption ist der rechtliche Akt, durch den ein Kind vollständig als eigenes Kind angenommen wird, mit allen Rechten und Pflichten, die leibliche Kinder haben. Durch die Adoption erhalten die Stiefkinder die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes und haben somit ein gesetzliches Erbrecht und auch ein Pflichtteilsrecht.

Ein solcher Schritt sollte allerdings gut überlegt sein, weil er nicht nur Auswirkungen auf das Erbrecht, sondern auch auf Unterhaltsansprüche sowie im Falle der Minderjährigenadoption das Sorgerecht hat. Das Sorgerecht ist das Recht und die Pflicht der Eltern, für das Wohl und die Entwicklung ihres Kindes zu sorgen, einschließlich der Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten. Unterhaltsansprüche entstehen bei Verwandten in gerader Linie, wenn ein Verwandter bedürftig ist, also sich nicht selbst unterhalten kann.

Wie kann ein Anwalt für Erbrecht in Bezug auf die Absicherung von Stiefkindern helfen?

  • Analyse der aktuellen erbrechtlichen Situation
  • Beratung zu testamentarischen Verfügungen
  • Erstellung und Änderung von Testamenten
  • Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten
  • Beratung zur Auswirkung von Adoptionen

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