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26.11.2017
Aufklärungspflicht vor Pflichtteilsverzicht

Schadensersatz bei arglistiger Täuschung

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Erbrecht und für Familienrecht in Trier - Michaela Porten-Biwer
Autor:

Michaela Porten-Biwer

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Erbrecht und für Familienrecht in Trier | Trier

Das Landgericht Koblenz hat entschieden, dass ein Anspruch auf Schadensersatz besteht, wenn vor Vereinbarung über einen Pflichtteilsverzicht keine wahrheitsgemäße Auskunft über die Vermögensverhältnisse erteilt wurde.

Teilurteil des LG Koblenz vom 01.06.2017, Aktenzeichen 10 O 204/16

Das Landgericht hatte folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Die Parteien des Rechtsstreit sind Geschwister. Diese hatten nach dem Tod der Mutter mit dem Vater einen Erbauseinandersetzungs- und Übertragungsvertrag beurkunden lassen. Die Klägerin erhielt ein Grundstück im Wert von 150.000,00 €. Sie verzichtete daraufhin in dem Vertrag auch bereits auf Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des Vaters.

Der Vater hatte vor Abschluss des Vertrages im Erbscheinsverfahren der verstorbenen Mutter erklärt, dass kein Vermögen im Ausland vorhanden sei. 

Nach seinem Tod stellte sich jedoch heraus, dass auf einem ausländischen Konto ein Vermögen von ca. 750.000,00 € vorhanden ist.

Arglistige Täuschung vor Vertragsschluss?

Die Klägerin erklärte gegenüber dem Beklagten als Erben des Vaters die Anfechtung des Pflichtteilsverzichts wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB und macht ihr Pflichtteilsrecht geltend. Sie trägt vor, sie sei davon ausgegangen, dass neben dem ihr übertragenen Grundstück ausschließlich inländisches Kontenvermögen von ca. 160.000,00 € vorhanden war.

Der Beklagte berief sich auf eine Kenntnis der Klägerin über das ausländische Vermögen. Die Kenntnis konnte ihr im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme jedoch nicht nachgewiesen werden. 

Schadensersatzanspruch bejaht

Das Landgericht hat entschieden, dass die Klägerin nach dem Tod des Vaters eine Anfechtung des Pflichtteilsverzichts nicht mehr erklären kann.

Bejaht wurde jedoch entweder ein Wertersatzsanpruch in Höhe des entgangenen Pflichtteils oder ein Anspruch aus culpa in contrahendo (vorvertragliche Pflichtverletzung).

Die Klägerin kann zunächst Auskunft über den Nachlassbestand verlangen. Sie ist so zu stellen, als ob sie nicht auf ihren gesetzlichen Pflichtteil und die damit verbunden Auskunftsansprüche verzichtet hätte. 

Aufklärungspflicht vor Pflichtteilsverzicht

Die Entscheidung hat erhebliche praktische Bedeutung. Vor Abschluss eines Erb- oder Pflichtteilsverzicht muss wahrheitsgemäß Auskunft über die wesentlichen Vermögenswerte erteilt werden. 

Michaela Porten-Biwer, Fachanwältin für Erbrecht in Trier empfiehlt, anwaltliche Hilfe nicht erst im Streitfall, sondern auch vor Abschluss "einvernehmlicher" Erbauseinandersetzungsverträge in Anspruch zu nehmen.

Die Entscheidung des Landgerichts zeigt, dass die Vertragsparteien sich vor Beurkundung über mögliche Auskunftsverpflichtungen beraten lassen sollten.

Gleichzeitig offenbart die Entscheidung, dass auch nach Abschluss einer notariellen Vereibarung nicht zwangsläufig Rechtsfrieden einkehrt. Vereinbarungen über Erbauseinandersetzungen, Erb- oder Pflichtteilsverzichte sollten so klar formuliert sein, dass anschließend keine Streitigkeiten über deren Auslegung oder Geschäftsgrundlage geführt werden müssen. 

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